ÖFB

Dominik Glawogger: „Aus jeder Veränderung kann eine Chance entstehen.“

Dominik Glawogger hat als erst 28-Jähriger die U19 des deutschen Zweitligisten Holstein Kiel übernommen. Vor der neuen Saison hat der österreichische Trainer mit 12terMann.at über seine neue Aufgabe in Kiel und über seine Anfänge sowie die Zeit in Tansania und als FAC-Cheftrainer gesprochen. 

[ticket_banner]

12terMann: Dominik erstmal danke für das Interview! Du bist ein unglaublich junger Trainer und hast als 17-Jähriger erstmals in der Jugend des SC Seiersberg eine Nachwuchsmannschaft trainiert. Danach folgten einige weitere Stationen – unter anderem in der Jugendabteilung der Stuttgarter Kickers. Wann war für dich klar, dass du dich von Beginn an auf den Trainerjob fokussieren willst und eine Karriere als Spieler nicht in Frage kommt?

Dominik Glawogger: Das hat mit meiner ersten Mannschaft begonnen. Mit den Kindern zu arbeiten, Menschen etwas weiterzugeben und die Entwicklung der Kinder zu sehen, hat mir Spaß gemacht. Das hat mich wirklich fasziniert und so habe ich dann auch gleich Fußballcamps in der Steiermark organisiert. Ich bin dann immer mehr in die Schiene der Betreuung von Kinder- bzw. Jugendmannschaften gekommen. 

Nach über acht Jahren als Jugendtrainer hast du mit nur 25 Jahren erstmals eine Kampfmannschaft als Cheftrainer übernommen. Und das waren die Toto Africans in der Premier League in Tansania – in der höchsten Spielklasse. Wie ist es zu diesem ungewöhnlichen Wechsel gekommen?

Ich habe nach meinem Studium mit anderen Volunteers eine Sport-Charity in Mwanza in Tansania aufgebaut. Der eigentliche Gründer der Idee hatte damals sehr gute Kontakte zum Erstligisten in Mwanza, zu den Toto Africans. Als der Club im Winter 2015/16 einen Trainer gesucht hat, wurde ich gefragt. Für mich war klar, dass ich aufgrund meiner Lebenssituation (das Alter und abgeschlossenes Studium, Anm.) keine großen Verpflichtungen bei uns zu Hause hatte. Es war also ein guter Zeitpunkt, um diesen Schritt nach Afrika zu machen. Meine Eltern waren im ersten Moment nicht begeistert davon. Sie haben aber gesehen, dass ich mich sehr dafür einsetze und es wirklich machen wollte. Deshalb haben sie nachgegeben und mich super unterstützt. In Tansania habe ich mich dann das erste Mal 24 Stunden nur mit Fußball beschäftigt. Da bin ich dann so richtig auf den Geschmack gekommen, was es heißt, sich von in der Früh bis zum Abend nur mit Fußball zu befassen – und dann ist endgültig der Funke übergesprungen.

Es klingt nach einem wirklich spannenden und tollen Abenteuer. Sportlich hast du die Mannschaft im Abstiegskampf übernommen – was ist dann passiert?

Es war eine ganz enge Situation. Wir haben eigentlich das ganze Frühjahr gegen den Abstieg gespielt. Letztendlich haben wir aber kurz vor Schluss mit einem Sieg gegen den späteren Vizemeister den Klassenerhalt geschafft. Leider ist die Mannschaft ein Jahr später abgestiegen und spielt jetzt in der zweiten Liga.

Wie können wir uns den Ligabetrieb und das Niveau in Tansania vorstellen?

Die Spieler waren Profis. Vom Niveau her würde ich meine damalige Mannschaft mit einem stärkeren Regionalligisten in Österreich vergleichen. Die Topteams in der Liga spielen hingegen in der afrikanischen Champions League bzw. in der Qualifikation für diesen prestigereichsten Wettbewerb Afrikas. Diese Spitzenmannschaften haben   außerdem viele Nationalspieler in ihren Kadern  – so kann doch ein großes Gefälle in der Liga beobachtet werden. Aber in Tansania lebt man einfach den Fußball.

Wie ist dein Alltag als Cheftrainer einer erstklassigen Mannschaft in Tansania abgelaufen?

Wir haben zwei mal pro Tag trainiert und eine Video-Analyse gehabt. Es war also im Grunde professionell, es herrschte aber immer wieder ein sympathisches Chaos. Es ist schon vorgekommen, dass die Bälle nicht ganz aufgepumpt waren oder wir auf einer Tankstelle auf das Tankgeld aus der Heimat gewartet haben. Ein Abschlusstraining haben wir in einem Schulhof absolviert. Die Pausenglocke hat da währenddessen geläutet und dann sind plötzlich Hunderte von Kindern auf unserem Trainingsfeld gestanden. Also es war grundsätzlich professionell, aber eben manchmal mit solchen Schmankerln. Das hat jedoch den Reiz der Aufgabe ausgemacht. 

Wie waren eure Trainingsbedingungen bei den Toto Africans?

Wir hatten zwar Profis, die Plätze waren aber schlecht – das ist jedoch kein großes Problem gewesen. Denn die Plätze in den Stadien waren auch nicht wirklich gut, und dann war es auch kein Nachteil bereits auf solchen Plätzen zu trainieren. 
Das war einfach ein sehr wichtiger Prozess für mich: Egal in welche Situation man kommt – man darf nicht sofort darüber hadern und grübeln. Einfach überlegen, wie man das Beste daraus machen kann, welche Optionen sind da und wie setzt man diese erfolgreich um.

Wenn du dich an deine Zeit in Afrika erinnerst – welche waren die emotionalsten Momente in Tansania? 

Auf jeden Fall das letzte Spiel und der Sieg vor 20.000 – 25.000 Zuschauern im Nationalstadion. Danach auch die Feier der Spieler und die Stimmung im Bus. Es war aber jeder Tag ein Highlight für mich. Es ist immer was Neues passiert. Und noch wichtiger ist es, bis heute mit dem Großteil der Mannschaft in Kontakt zu stehen. Das zeigt, dass es eine gute Basis zwischen den Spielern und mir gegeben hat. Das ist fürs Leben noch wichtiger und spricht am Ende des Tages für die Arbeit. 

Verfolgst du auch noch die Liga?

Zu 80 Prozent der Mannschaft habe ich noch Kontakt. Viele spielen jetzt aber bei anderen Vereinen in der Premier League in Tansania. Dadurch verfolge ich eigentlich die gesamte Liga weiter mit. Ich verfolge auch die Stuttgarter Kickers zum Beispiel – also ich bin immer sehr emotional mit meinen ehemaligen Vereinen verbunden. 

Einige Monate nach dem Klassenerhalt mit den Toto Africans folgte eine neue Aufgabe in der Heimat. Du bist im Herbst 2016 als Geschäftsführer zum Floridsdorfer AC in die Erste Liga (bzw. heutige 2. Liga) gekommen. Dort hast du dann im April 2017 interimistisch sogar die Kampfmannschaft als Cheftrainer übernommen – und das mit erst 26 Jahren. Der FAC war damals auch noch Tabellenletzter. Wie groß war da der Druck? 

Das haben mich alle gefragt: Wie kannst du mit dem Druck umgehen? Aber in Tansania steckten wir auch die ganze Zeit im Abstiegskampf. Ich habe dort viele Interviews gegeben und schwierige Zeiten im Verein durchlebt. Und das hat mich geprägt – deshalb habe ich die Aufgabe beim FAC als Chance gesehen. Ich war überzeugt, dass die Mannschaft besser war, als es der Tabellenplatz damals widergespiegelt hat. 

Du hast den FAC ja mit 26 bzw. 27 Jahren trainiert. Manche Spieler waren damit älter als du. War das schwer, dass du gleichaltrige bzw. ältere Spieler trainiert hast? Die können sich ja denken: „Der ist jünger als ich, was soll er mir sagen?“

Man kann sich viele Trainer ansehen und versuchen Philosophien zu studieren. Du musst einfach die Menschen davon überzeugen, was du denkst, für welche Werte du stehst, welche Spielidee du hast und authentisch bleiben  – dann hast du den Respekt, von dem alle reden, eh automatisch. Natürlich kommt es zusätzlich darauf an, ob es dir die Spieler abnehmen. Wenn du dir aber künstlich den Respekt erarbeiten und den Diktator spielen möchtest, dann kann es nicht funktionieren.
Die Mannschaften werden außerdem immer jünger. Beim FAC waren nur vier bis fünf Spieler älter als ich. Also das war nie ein Thema für mich. Mein Alter war für die Mannschaft auch nie ein Problem. 

Du hast mit dem FAC letztendlich ein kleines Märchen geschrieben und noch den Klassenerhalt geschafft. Danach bist du noch bis Herbst 2017 Geschäftsführer gewesen. Wie beschreibst du deine Zeit bei den Floridsdorfern?

Für mich war es eine extrem lehrreiche Zeit und für meinen weiteren Weg sehr wichtig. Ohne meiner Zeit als Cheftrainer beim FAC wäre ich jetzt nicht Trainer in Kiel. Es hilft aber nichts, sich im Fußball mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Das Kapitel ist beendet und ich schaue nur nach vorne. 

Die Ligareform ist in Österreich viel diskutiert worden – vor allem die neue 2. Liga. Wie stehst du zu dieser Reform?

Ich habe den Prozess noch ganz zum Schluss mitverfolgt. Ich habe gesehen, wie viel Aufwand und Energie die Bundesliga in den Prozess investiert hat, um mit vielen Experten die beste Lösung für den österreichischen Fußball zu finden. Es kann noch niemand beurteilen, wie sich das entwickeln wird. Man muss einfach offen für Veränderung sein – egal in welche Richtung. Aus jeder Veränderung kann eine Chance entstehen – und diese Chance muss jeder einzelne Verein in dieser Liga nutzen, um sich richtig zu positionieren.

Was hast du nach deiner Zeit beim FAC gemacht?

Ich habe dann gleich mit der UEFA-A-Lizenz begonnen und diese Ausbildung im Juni auch beendet. Für mich war es entscheidend, dass ich diese Zeit ohne Verein effizient nutze. Man versucht sich weiterzubilden, man schaut sich viele Spiele und Trainings an. In meiner Heimat waren mit Sturm, dem WAC, Hartberg oder Kapfenberg einige Vereine im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit. Da war es für mich wichtig, mir anzusehen, wie die anderen trainieren und was sie machen. Außerdem ist es auch wichtig über den Tellerrand hinaus zu schauen. Ich war eine Woche bei Empoli und habe mir die komplette Nachwuchsabteilung angesehen. Ich bin viel gereist und war im Jänner in der Türkei, wo sehr viele Mannschaften auf Trainingslager waren. Ich habe die Trainings beobachtet und versucht, mein Netzwerk zu erweitern. Das war für mich wertvoll, um den Blickwinkel zu öffnen und etwas für meine Arbeit mitzunehmen. 

Du hast die UEFA-A-Lizenz angesprochen. Erstmal herzlichen Glückwunsch zur bestandenen Ausbildung! Vielleicht kannst du uns ja kurz den Ablauf der Ausbildung erklären?

Die Ausbildung kann in zwei große Bereiche gegliedert werden. In die theoretischen Inputs wie insbesondere Trainingslehre, Bewegungslehre, Psychologie, Biologie oder Regelkunde. Und dann natürlich in die praktischen Übungen am Platz – also wie man mit der Mannschaft arbeitet. Der ÖFB versucht sehr praxisnah zu arbeiten. Du bist außerdem in einem Kurs mit fast 30 anderen Trainern und alleine der Austausch mit ihnen ist sehr wertvoll.

Welche Kriterien muss ein Trainer erfüllen, um in die Ausbildung für die UEFA-A-Lizenz aufgenommen zu werden?

Die Kriterien sind die Note bei der UEFA-B-Lizenz, die Stationen als Trainer und der Eignungstest. Aus diesen Komponenten ergibt sich dann eine Gesamtnote zusammen. Und dann werden österreichweit insgesamt 60 Trainer in den Kurs aufgenommen. Die Teilnahmer werden schließlich auf zwei Kurse mit jeweils 30 Teilnehmern aufgeteilt.

Jetzt der Blick in die Gegenwart: Du übernimmst die U19 vom deutschen Zweitligisten Holstein Kiel. Wie groß ist da schon die Vorfreude?

Extrem groß. Das ist ja schon seit einiger Zeit unter Dach und Fach. Die letzten Wochen waren meine Gedanken permanent bei der Mannschaft. Ich habe mir Videos aus der Ferne angesehen und Gespräche mit dem Trainerteam geführt. Jetzt freue ich mich auf den Moment, in dem ich die Trainingssachen von Kiel anhabe und das erste Mal auf dem Platz stehe. 

Was sind deine Ziele mit der U19 der Kieler?

Die Spieler so gut wie möglich auf den Erwachsenenfußball vorzubereiten. Es ist die letzte Stufe und man muss schauen, welche Stärken und Schwächen die Spieler haben. Aus den Stärken sollen Waffen werden und die Schwächen sollen ausgemerzt werden. Das geht nur über einen individuellen Zugang, bei dem ich versuche, mit den Spielern, auch in kleineren Gruppen, sehr detailliert zu arbeiten. Am Ende des Tages ist hoffentlich der eine oder andere dabei, der den Sprung in den Profifußball schafft. 

Und was sind deine langfristigen Ziele als Trainer?

Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich die U19 von Kiel übernehme, dann hätte ich das für sehr unrealistisch gehalten. Es kann aber schnell gehen, deshalb bin ich sehr kurzfristig in meiner Denkweise. Es hilft nichts sich darüber Gedanken zu machen, was in fünf bis zehn Jahren ist. Das Wichtige ist das hier und jetzt. 

Manche vergleichen dich mit Julian Nagelsmann. Was hältst du von solchen Vergleichen?

Gar nichts. Wichtig ist es, dass man versucht authentisch zu sein und für die eigenen Werte zu stehen. Es ist sensationell, was Julian Nagelsmann für sein Alter erreicht hat, aber davon kann ich mir nichts kaufen. Natürlich kann man von jedem lernen, aber im Endeffekt versucht man, seinen Weg erfolgreich zu beschreiten.

Mehmet Scholl hat junge Trainer – unter anderem auch Julian Nagelsmann – als „Laptop-Trainer“ bezeichnet. Wie stehst du zu diesem kritischen Begriff?

Ich habe auch einen Laptop (lacht). Ich arbeite sehr strukturiert und detailliert. Aber ich bin nicht der Trainer, der das Spiel bis in alle seine Bestandteile zerlegt. Es geht um die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet. Man muss die Spieler auf einer emotionalen Ebene erreichen. Schafft man dies nicht, helfen das beste Training, die beste Taktik sowie die beste Ansprache nichts. Das Erste ist also, die Spieler zu erreichen. Dann muss man schauen, was die Mannschaft zum jetzigen Zeitpunkt braucht: Wo kann ich den Hebel ansetzen, um kurzfristig Erfolg zu erzielen? Mit diesem kurzfristigem Erfolg gewinne ich wieder das Vertrauen der Mannschaft. Damit kann ich dann immer mehr ins Detail gehen und langfristig denken. Ich halte nichts davon, den Fußball nur auf Taktik und Analyse zu beschränken.

Wer ist eigentlich dein großes Trainervorbild bzw. welchen Trainer bewunderst du?

Ich finde, dass Arsene Wenger etwas sehr gut gemacht hat. Wenn man in dem hart umkämpften Geschäft Fußball über so einen langen Zeitraum erfolgreich arbeitet, dann hat man sowohl in der Menschenführung als auch im trainingstechnischen bzw. taktischen Bereich besondere Fähigkeiten.

Welchen Tipp hast du an junge Trainer, die eine ähnliche Karriere anpeilen, aber noch ganz am Anfang stehen?

Die Hartnäckigkeit und der unbedingte Wille, seine Ziele erreichen zu wollen, sind wichtig. Man darf sich nie von Rückschlägen abschrecken lassen. Als ich noch Spieler war, habe ich einige Rückschläge durch Verletzungen erlitten. Man muss aber jeden Rückschlag als Chance und jede Niederlage als Möglichkeit sehen, sich zu verbessern. Immer dran bleiben und dran glauben, ist essentiell. Man muss einfach alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, die einem helfen können, vorwärts zu kommen. Sei es auf der einen Seite das Netzwerk, oder auf der anderen Seite die Ausbildung, mit der man rechtzeitig beginnen sollte. Die eigene Motivation und der eigene Antrieb sind natürlich wichtig, um sich gegen eine Vielzahl an Konkurrenten durchzusetzen zu können.

Das könnte dich auch interessieren

[app_teaser]

David Chomiczuk

David CHOMICZUK
(Redaktion)

Bei 12terMann seit: 04/2017

M: david.chomiczuk@12termann.at

 

Schreibe einen Kommentar