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„In Österreich ist Scouting für viele Vereine ein unnötiges Thema“

Florian Karasek ist Scout und Spielanalyst bei der deutschen Sportagentur B360. Als ehemaliger Scout beim VfB Stuttgart, Schalke 04 und Bayer Leverkusen verfügt der studierte Sportwissenschafter über beste Kontakte im deutschen Profifußball. In Gelsenkirchen war er unter Jens Keller zudem Spielanalyst bzw. auch für die Gegneranalyse verantwortlich. Der ehemalige Profi bei Wüstenrot Salzburg, dem SV Mattersburg und SW Bregenz gab uns einen Einblick in die Tätigkeit eines Scouts und ortet in Österreich große Rückstände in diesem Bereich.

Aus österreichischer Sicht hatte Karasek zuletzt seine Finger bei den Wechseln der Nachwuchsspieler [spielerprofil spieler=“Gabriel Zirngas“]t (von der SV Ried zum FC Ingolstadt) und [spielerprofil spieler=“Lukas Fahrnberger“] (von Rapid zu Eintracht Frankfurt) maßgeblich im Spiel. Für B360 sucht Karasek nach Spielern die vor allem für den deutschen Markt interessant sein können. Der Fokus reicht dabei von 15-Jährigen über alle Nachwuchsklassen bis hin zum Profifußball.

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12terMann.at: Die Transferphase ist nun vorbei. Ist der Sommer eine anstrengende Zeit im Leben eines Scouts oder sollte hier die Arbeit schon abgeschlossen sein?

Florian Karasek: Scouting ist ein Jahresgeschäft. Wenn es erst in der Transferphase stressig wird hast du deinen Job verfehlt. Wenn ein Verein seriös arbeitet hat er und nicht nur der Trainer eine Spielphilosophie. Der Verein weiß, welche Spielertypen zu ihm passen und wird dementsprechende Spieler über Jahre hinweg suchen und beobachten. Daher weiß der Verein frühzeitig welche Spieler für ihn in der nächsten Transferperiode interessant sind und da kommt es dann nur mehr zu den Vertragsabschlüssen.

Wieviel Spieler hast du in den vergangenen Monaten intensiver beobachtet?

Derzeit habe ich weniger Einzelspieler am Schirm, sondern vergleiche eher Märkte. Also beispielsweise vergleiche ich den tschechischen mit dem österreichischen Markt im Nachwuchs. Daher beobachte ich am Wochenende (Anm. das Interview fand am 05. September statt) die tschechische U19 und U21. Zudem bin ich gerade von einem Trainer in der Deutschen Bundesliga beauftragt sein Team einmal von außen zu analysieren.

Wo bist du schwerpunktmäßig als Scout tätig?

Mein Fokus liegt derzeit auf Österreich und Süddeutschland aber auch die angrenzenden Regionen wie eben Tschechien. Es ist auch ein Thema nach Peru zur U17 WM zu fliegen, ich bin also sehr flexibel. Ich schau aber auch jedes Wochenende Erwachsenenspiele vor Ort. Nur sind für mich die Jungen interessanter, die nicht jeder am Schirm hat. Bei Liverpool gegen Salzburg beispielsweise wird man wenig neue Erkenntnisse über Spieler finden.

Kommt es da auch öfters vor, dass man junge Spieler abschreibt und einige Jahre später sieht man sie doch im Profifußball?

Natürlich kommt das vor, so ehrlich muss man sein. Gleichzeitig ist es schon oft passiert, dass ich 15-, 16-Jährige vorgeschlagen habe an die die Vereine nicht geglaubt haben, die aber heute gestandene Bundesligaspieler und mehrere Millionen wert sind. Breel Embolo (Borussia Mönchengladbach) oder Josip Brekalo (VfL Wolfsburg) sind da zu nennen.

Ist die Livebeobachtung nach wie vor die Basis beim Scouting oder wird schon vermehrt mit Videos oder Datenanalysen und Statistiken gearbeitet?

Das Meiste siehst du in der Livebeobachtung und zwar nicht nur im Match sondern vor allem auch in den Trainings. Ich beobachte auch, wie sich der Spieler außerhalb vom Platz verhält, Stichwort Social Media. Im Vorfeld schaut man aber natürlich auch Videos an, um einen ersten Eindruck zu erhalten. Statistiken schaue ich mir zwar auch an, denen gebe ich aber nicht viel Bedeutung, weil auch ein Mittelfeldspieler mit 13 Kilometer Laufleistung einige Kilometer umsonst laufen und so sogar die Mannschaft taktisch schwächen könnte.

Wie erfolgt dann das Feedback an die Vereine?

Ich beobachte zum Beispiel einen Spieler eine Woche lang vor Ort. Zwei Spiele und mehrere Trainings, dann erfolgt ein Bericht mit Videos als Ersteinschätzung. Wenn der Spieler dann noch immer ins Profil des Vereins passt erstelle ich einen 20-Seiten-Bericht. Da geht es dann auch um aussagekräftige Statistiken, darum wie der Spieler auf Social Media auftritt, welche Presseberichte oder Aussagen von Trainern, anderen Scouts etc. es schon gibt.

Du warst mehrere Jahre bei Schalke und Leverkusen, bringst also Erfahrung auf international hohem Niveau mit. Gab es auch schon mal Anfragen von österreichischen Vereinen für dich?

Ich bin immer wieder in Kontakt mit heimischen Vereinen aber hier hat man noch eine andere Vorstellung was Scouting ist, was man auch in der Wertigkeit merkt.

Was ist Scouting deiner Meinung nach denn?

Scouting ist ja nicht einfach Spiel- oder Spielerbeobachten sondern hat viele Facetten. Es beginnt in der Marktbeobachtung und endet im Spielerscouting. Es geht auch um Spielsysteme, ich muss genau wissen nach was der Verein sucht. Ich kann nicht einfach nur einen Rechtsverteidiger suchen, es gibt zig Arten von Rechtsverteidigern.

Das Thema wird also nach wie vor noch sehr stiefmütterlich behandelt.

Genau, für viele Vereine ist Scouting ein unnötiges Thema weil es laut ihnen eh Manager gibt und jeder Kontakte hat. Ausgenommen Red Bull Salzburg natürlich, das ist ein ganz anderes Kapitel und hat mit dem normalen österreichischen Fußball nicht viel zu tun.

Dabei würde ja das Thema auch aufgrund der steigenden Transfersummen eine höhere Aufmerksamkeit verdienen.

Viele Vereine sind nicht bereit vorab etwas zu investieren. Wir reden hier ja von keinen Unsummen die das Scouting verschlingt. Im Vergleich was ein Fußballer an Transfersummen und Wirtschaftlichkeit einbringen kann. Wenn dir ein Spieler aufgeht, der sich nach deinen Vorstellungen entwickelt, hast du alles auf Jahre finanziert.

Welcher Spielertyp wird denn mehr gesucht, der variabel einsetzbare oder der positionstreue mit hohen Qualitäten auf einer Position?

Das ist nicht allgemein zu sagen aber je höher das Level ist, desto positionsbezogener werden die Scoutings. Einfach weil sich die Vereine auch größere Kader leisten können. Es gibt aber Vereine die sehr systemorientiert ausbilden und wo dann der einzelne Spieler manchmal zu kurz kommt. Das merkt man dann nach Transfers, wo sich Spieler beim neuen Verein schwer tun. Das ist in vielen Akademien ein Problem.

Ich nehme an, es wird noch ein Stück mehr auf die technischen als die körperlichen Fähigkeiten geachtet, da man dort Defizite weniger leicht aufholen kann?

Verbessern kann man sich immer. Aber im Körperlichen und Physischen ist die Steigerung schneller sichtbar als bei technischen Fähigkeiten. Beziehungsweise bin ich der Meinung, dass ein Spieler nicht immer alles können muss. Er muss seine Stärken ausbauen, um im schlimmsten Fall im Team die Schwächen kompensieren zu können. Für mich liegt das größte Potential aber in der Einstellung zum Profisein und der Bereitschaft mehr zu tun als andere. Die Summe dieser ganzen Themen, zu denen auch taktisches Verständnis gehört, ergeben dann, ob es die Burschen wirklich in den Profifußball schaffen.

Foto-Credits: Florian Karasek

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Sebastian Sohm

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Sebastian SOHM
(Redakteur, Nachwuchsfußball)

Bei 12terMann seit: 09/2015

M: sebastian.sohm@12termann.at

 

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