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ZEITREISE Als Italien Österreich das WM-Finale stahl

Österreich vs. Italien – war das was? Nur die wenigsten Leser unseres Online-Mediums werden sich erinnern, aber die Geschichte des Duells der Nachbarländer hat eine besondere Brisanz. Wir springen zurück ins Jahr 1934 als Benito Mussolini Österreich womöglich den Weltmeistertitel raubte.

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Die 1930er Jahre waren die unumstrittene Glanzphase des österreichischen Fußballs. Mit dem Wunderteam gecoacht von Hugo Meisl lieferte das ÖFB-Team eine grandiose Leistung nach der anderen ab. Die Kicker aus der Alpenrepublik waren damals auch die erste Mannschaft aus dem europäischen Festland, die England in die Knie zwangen. Kein Wunder also, dass Österreich mit einer gehörigen Portion Selbstvertrauen zur Weltmeisterschaft 1934 nach Italien reiste. Nach Siegen über Frankreich und Ungarn stand die ÖFB-Elf im Halbfinale der Weltmeisterschaft. Am 3. Juni 1934 wartete in Mailand der Gastgeber des Turniers.

Noch heute ranken sich um diese Partie so einige Mythen. Wie Österreich stand auch Italien Mitte der 1930er Jahre bereits unter faschistischer Herrschaft. Diktator Benito Mussolini wusste den Fußball und seine schon damalige Breitenwirkung für seine Zwecke zu nutzen. Der „Duce“ forderte von seiner Mannschaft den Titel, um das italienische Nationalbewusstsein zu steigern. Sporthistoriker Matthias Marschik gibt in der APA an, dass den Spielern im Falle einer Niederlage gar die Exekution drohte.

Den Italienern entging die Höchststrafe – ein glücklicher 1:0 reichte den Südeuropäern zum Final-Einzug. Dem Tor der Gastgeber ging dabei nach 18 Minuten ein klares Foul an Österreichs Torhüter Peter Platzer voran. Das Wiener Sportblatt schilderte den Treffer der Italiener wie folgt:

Der entscheidende Treffer wird von den hier anwesenden ausländischen Journalisten — und es sind ihrer nicht wenige — als irregulär bezeichnet, und auch italienische Kreise versuchen nicht, ihn als unbedingt  korrekt auszugeben. Es ist aber eine Tatsache, daß Platzer an  der Angelegenheit auch nicht unschuldig war, daß aber gerade in seinem Verschulden ein weiterer Beweis für die Ungültigkeit des Treffers liegt. Platzer versuchte nämlich, einen Schuß Schiavios abzuwehren. Der Ball entglitt aber. ohne daß Platzer angegangen worden wäre, seinen Händen. In dem Augenblick, in dem sich aber Platzer neuerlich nach dem Ballbückte, also in einer Situation, in der er auch auf sonst korrekte Weise nicht gerempelt werden hätte dürfen, erhielt er von hinten einen Tritt — der Uebeltäter soll Meazza gewesen sein —, und im selben Augenblick stürzten sich noch zwei andre Italiener auf ihn, um ihn vollständig zu Boden zu bringen.

In der Folge wurden alle Bemühungen der Österreicher den Verlusttreffer wieder wettzumachen vom Schiedsrichter zur Nichte gemacht. Der schwedische (Un-) Parteiische Ivan Enklind, der Tags zuvor Besuch von Mussolini bekam, unterband mit seinen Pfiffen gute Ausgleichsgelegenheiten der Österreicher. Seinen Gipfel erreichte die Absurdität, als der Schiedsrichter selbst via Kopfball den Ball ins Toraus beförderte, um den Österreichern eine weitere Torchance zu verwehren.

Italien wurde eine Woche später gegen die Tschechoslowakei nach einem 2:1 erstmals Weltmeister. Österreich verlor gegen Deutschland das Spiel, um den dritten Platz gegen Deutschland knapp mit 2:3. Am Samstag hat das aktuelle ÖFB-Team die Möglichkeit die historische Ungerechtigkeit wieder gut zu machen – politische Intervention scheinen dabei als unwahrscheinlich.

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Tobias Kurakin

  Tobias Kurakin (Redaktionsleitung) Bei 12ter Mann seit 3/2018