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College-Fußball in den USA – Interview mit Österreich-Export Alexander Roth

Von der steirischen Landesliga in die amerikanische College-Liga – ein nicht alltäglicher Weg, den Alexander Roth im Vorjahr einschlug. Mit uns plaudert der 26-jährige Tormann über seine ersten Monate in Florida, präsentiert die Besonderheiten der College-Liga und erläutert das für uns Europäer fremde System des College-Sports in den USA.

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Hallo Alexander. Vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit nimmst. Ich würde sagen, dass du unseren Lesern einmal ein wenig von dir erzählst. Wer bist du, wo kommst du her?

Gerne. Ich bin 26 Jahre alt, bin in Graz geboren und in Gnas (Südoststeiermark) aufgewachsen.
Ich habe an der Karl-Franzens Universität in Graz Geschichte studiert und bin jetzt seit August
2016 mit einem Fußballstipendium in Boca Raton, Florida an der Lynn University, wo ich auch
meinen Master in International Business mache.

Mit deinem Wechsel an die Lynn University ging auch ein Transfer vom USV Gnas zur universitätsinternen Fußballmannschaft Fighting Knights einher. Wie kam es zu diesem Wechsel und wie erging es dir persönlich mit dem Transfer von Österreich in die USA?

Ich habe im Herbst mit meinem damaligen Teamkollegen Stefan Strohmeier darüber gesprochen
ein Auslandsstudium in den USA zu machen. Er hat mir dann auch erzählt, dass er einen Freund
hat, der in den USA an die Lynn University geht und dort auch spielt. Wir haben zu ihm Kontakt
aufgenommen und es folgte relativ schnell ein Gespräch mit dem Coach. Dieser ist dann sogar
im Frühjahr 2016 nach Gnas zu einem Spiel gekommen, um uns zu scouten. Schon ein paar Tage
später hat er uns ein Stipendium angeboten. Die endgültige Entscheidung war dann keine
einfache aber ich hatte das Gefühl, es wäre der richtige Schritt für mich. Am Anfang war
ich natürlich nervös, aber dass mit mir gleichzeitig ein paar Österreich an die Lynn gekommen
sind hatte alles einfacher gemacht.

Was war für dich die größte sportliche Umstellung in den USA?

Die größte Umstellung war sicher die Vielzahl an Spielen in kurzer Zeit und das Wetter.
Während der Saison spielen wir fast jeden Mittwoch und Samstag. Wir hatten zu Beginn der
Saison in 21 Tagen 8 Spiele und das bei extrem hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit.

In Österreich warst du in der Landesliga im Einsatz. Wie würdest du den Qualitätsunterschied zwischen der Sunshine State Conference und der österreichischen Landesliga beurteilen?

Es ist schwer einen Vergleich herzustellen. In der SSC und im College Fußball allgemein wird
sehr viel wert auf Athletik gelegt. Das ist zum Beispiel schon an manchen Regeln zu erkennen:
so kann ein Spieler in jeder Halbzeit einmal aus- und dann wieder eingewechselt werden und es
gibt kein Wechsellimit. Taktik und Technik spielen eher eine untergeordnete Rolle. Es wird
auch sehr defensiv gespielt und erwartet, dass bis zur letzen Minute immer alles gegeben wird,
auch wenn eine Mannschaft aussichtslos hinten liegt.

Wo wir gerade bei der Sunshine State Conference sind: Die Sunshine State Conference
schließt ja nicht nur Fußball ein. Schwimmen, Baseball, Basketball, Tennis, Golf,
Volleyball. Männer und Frauen. Würdest du uns kurz das Conference-System genauer
erklären?

Das ganze System ist ein wenig kompliziert. Grundsätzlich gibt es drei „Divisions“, wie eine Art
Liga. Wobei man nicht sagen kann, dass das Niveau absteigend wäre sondern es hat eher mit der
Größe der Unis usw. zu tun, in welcher Division man spielt. Wir spielen in der Division 2.
Insgesamt gibt es vier Regionen (West, South, East und North) und diese sind dann in
verschiedene Conferences unterteilt. In jeder Region gibt es unterschiedlich viele Conferences
und alle haben auch unterschiedlich viele teilnehmende Universitäten. In unserer Conference gibt
es zwölf Universitäten. Während unserer Saison spielen wir dann gegen alle Teams einmal und wer
am Ende die meisten Punkte hat, ist dann Conference-Champion. Das ist wie eine Art
Meisterschaft. Danach gibt es ein Conference-Turnier. In diesem spielen die sechs besten Teams
der Saison im Ko-System den Conference-Tournament Champion aus. Dieser Champion fährt
dann zum Regional Tournament und den Nationals. Am Ende ist der Sieger NCAA (das ist die
landesübergreifende Organisation) Champion und bekommt den berühmten Ring.

Die Lynn University gehört zu den erfolgreichsten Universitäten im College-Sport. Wie viel Einfluss hat der Sport auf den Uni-Alltag?

Er hat sehr viel Einfluss, denn während der Saison ist fast alles auf den Sport ausgelegt und die
Professoren nehmen da auch sehr Rücksicht auf uns. Sie versuchen uns so gut wie möglich zu
unterstützen.

Sind die Stunden, die du in Vorlesungen verbringst, angepasst an die Trainingseinheiten
und wie sieht für dich ein Tag an der Uni aus?

Unser Trainer gibt vor der Saison unsere Trainingszeiten bekannt. Davon ausgehend wird dann
geschaut, dass man eine Stunde davor und Stunde danach keine Kurse hat. Ich als Master
Student habe meine Klassen immer abends von 18-22 Uhr. Die Bachelorstudenten haben ihre
Kurse meistens in der Früh von 8-12 Uhr.

Ihr seid bei den „Fighting Knights“ ein richtiger Österreicher-Haufen. Neben dir
sind ja noch vier weitere Österreicher im Einsatz. Da rannte schon der Schmäh
oder?

Und wie! Die anderen Teammitglieder kennen sogar schon ein paar deutsche Worte und unser
Coach meinte sogar, er scoutet gerne Österreicher, weil die besonders viel Positives zur
Stimmung beitragen ;)

College Football ist in den Vereinigten Staaten ja sehr beliebt. Über 100.000 Zuschauer finden
sich in den Stadien wieder. Spiele werden am Samstag sogar im Fernsehen übertragen.
„College Soccer“ ist hingegen noch immer mehr am Rand zu finden, obwohl die Sportart
in den USA einen richtigen Aufschwung erfährt. Was glaubst du fehlt noch, dass Fußball
auch im College-Bereich so richtig ankommt?

Ich glaube, dass der „College-Soccer“ nie solche Zahlen erreichen wird. An den Universitäten
mit einem guten Fußballprogramm haben die Mannschaften bei den Heimspielen allerdings
schon zwischen 1000-5000 Zuschauern. Für Fußball ist es im Allgemeinen aber einfach schwer
neben den vier großen Sportarten (Football, Baseball, Hockey, Basketball) zu bestehen. Es hat
auch die Profiliga (MLS) nicht soviel Publicity und Fans wie die anderen Sportarten, das wirkt
sich dann natürlich auch auf das College aus.

Auf dem aktuellen Teamfoto trägst du das Trikot mit der Nummer 0. Der Kollege neben
dir trägt das Trikot mit der Nummer 00. Wie kommt es zu dieser seltsamen
Nummernvergabe?

Wie mir mein Coach gesagt hat, dass ich in der Saison die Nummer 0 tragen werde war ich
zuerst einmal auch ein bisschen verwirrt. Er hat mir dann aber erklärt, dass die Nummer 0 und 00
ganz normal im College-Sport sind und ich habe es dann auch ganz cool gefunden weil als
Tormann hat man ja immer das Ziel “ zu Null“ zu spielen.

An den österreichischen Universitäten gibt es für die Studentinnen und Studenten die
Möglichkeit, USI-Kurse zu belegen, um Sport zu betreiben. Denkst du, dass in Österreich
ein College-Sport-System funktionieren würde?

Ich glaube, das wäre in Österreich nur schwer umzusetzen, da der Sport in Österreich im
Vereinswesen aufgebaut ist. Dieses System ist schon zu tief in unserer Gesellschaft verankert,
um es zu ändern. Noch dazu gibt es in Österreich nicht so viele Universitäten, die alle Sportler
auffangen können. Ebenso würde ein Athlet nach dem amerikanischem System einer Universität sehr viel
Geld kosten, was sich wiederum nur mit Hilfe hoher Studiengebühren finanzieren lässt.
Allerdings hat auch das amerikanische System sehr viele Vorteil und macht Spaß.

Die Saison endete bei euch im November und das mehr als erfolgreich. Ihr konntet die SSC
Championship gewinnen und du wurdest in das „Men’s Soccer All-Tournament-Team“
gewählt. Wie viel bedeutet diese Auszeichnung für dich und wie viel für das Team/die
Universität?

Ja, es war eine gute Saison. Die SSC Championship und das SSC-Tournament zu gewinnen
haben vor uns nur drei Mannschaften geschafft. Leider sind wir dann ein wenig unglücklich
schon in der ersten Play-off Runde der Nationals ausgeschieden. Für die Universität bedeuten
diese Titel natürlich sehr viel, da sie an Prestige gewinnen und in unserem Fall die Lynn
University damit ihren Ruf – eines der besten Sportprogramm zu haben – ausbauen kann, um
somit zukünftig noch bessere Athleten anzuziehen. Natürlich sind solche Auszeichnungen schön
aber die beste Auszeichnung in dieser Saison war für mich, dass ich die Kapitänsschleife für
einige Spiele tragen durfte, nachdem unser etatmäßiger Kapitän ausgefallen ist. Ich werde das
Team auch als Kapitän in die nächste Saison führen, was in meinem erst zweiten Jahr ein toller
Vertrauensbeweis ist.

Ihr habt ja eine unglaublich ausführliche Social Media-Präsenz. Auf Facebook und
Instagram wird man reichlich mit News von allen Sportarten versorgt. Sollten sich
österreichische Vereine hier möglicherweise was abschauen?

Jedes Spiel wird von unserer Athletic-Communication per Stream übertragen. Nach den Spielen
werden auch Interviews geführt, welche mit Highlight-Cuts auf YouTube geposted werden. Für
Amateur Vereine ist es natürlich schwer soetwas nachzumachen, weil es ein großer zeitlicher und
finanzieller Aufwand ist.

Haben die Klischees von einem amerikanischen College einen Realitätsbezug?

Ehrlich gesagt, ja. Es leben die meisten StudentInnen am Campus, dadurch gibt es dieses starke
Gemeinschaftsgefühl. Athleten haben auch ein besonderes Ansehen. Viele tragen auch die
universitäre Kleidung und sind sehr patriotisch.

Welche Rolle spielt der College-Sport an den amerikanischen Universitäten, wenn es ums
Thema „Identitätsbildung“ geht?

Eine sehr wichtige Rolle. Die StudentInnen bzw AthletInnen müssen lernen, Bildung und Sport
zu vereinbaren. Es wird in der Ausbildung viel Wert auf die persönliche Weiterentwicklung
gelegt und die Schärfung des Gemeinschaftssinn. zB. mussten die Fussballer beim Einziehen den
neuen, jungen StudentInnen beim Tragen helfen.

Würdest du das Studium in den USA weiterempfehlen? Wenn ja, wieso?

Ich würde es jedem empfehlen. Man lernt die Sprache besser, man lernt viele neue Menschen
kennen, die einem ein Leben lang bleiben, man muss sehr viel selbstständig leisten, mit neuen
Herausforderungen umgehen. Man lernt nicht nur die amerikanische Kultur, deren Art Sport zu
treiben und ihre Sicht der Dinge kennen sondern auch die jedes Teammitgliedes, die aus aller
Welt zusammen kommen. Man wächst persönlich, wie man es in seinem gewohnten Umfeld gar
nie könnte. Wenn es jemanden interessiert, kann gerne mit mir Kontakt aufgenommen werden.

Vielen Dank für das Interview.

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Lukas Lorber

Lukas LORBER (Redaktion) Bei 12terMann seit: 10/2016

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