Nationalteam

EM-Qualifikation, Österreich vs Russland / Nachbetrachtung und Benotung

Trotz Tabellenführung Ball flach halten

Das Wichtigste gleich einmal vorweg. Österreich steht nach dem gestrigen 1:0-Sieg über die stärker eingeschätzten Russen über die Winterpause und dank des Vier-Punkte-Vorsprungs darüber hinaus, an der Spitze der Gruppe G. Außerdem wurde die Serie der Spiele ohne Niederlage prolongiert (6 Siege, 3 Unentschieden). 9 Spiele ohne Niederlage – das gab es das letzte Mal zwischen 1976 und 1978, damals waren es gar 12 Partien. 

Nachbetrachtung

Zum Spiel selbst. Der Ausfall der tragenden Säule Julian Baumgartlinger wenige Minuten vor Beginn der Partie war kurzfristig ein schwerer Schock. Den Salzburgern Leitgeb und Ilsanker wurde die immens schwere Aufgabe zuteil, das starke Duo zu ersetzen. Im Laufe des Spiels war das Fehlen der Stamm-Defensive im Mittelfeld zu merken. Zu oft kamen die Russen gefährlich durch die Mitte. Daraus resultierte auch die erste große Chance des Spiels, der Weitschuss von Kokorin prallte zum Glück nur an die Latte, Almer wäre chancenlos gewesen.

In der 25. Minute war es Martin Harnik, der Keeper Akinfeev zum ersten Mal mit einem starken Schuss von rechts prüfte. Vor der Pause kamen beide Teams noch zu jeweils einer Chance, der erneut starke Robert Almer wehrte einen Kopfball nach einer Ecke zur Seite ab, auf der Gegenseite klärte der Keeper bei einer Flanke gerade noch vor Janko.

Nach einer offenen ersten Hälfte nahm Österreich nach der Pause das Heft in die Hand. Marko Arnautovic hatte nach einer Hereingabe von Fuchs die große Chance auf die Führung, sein Schuss fiel aber zu zentral aus. Kurz darauf wurde Harnik im Strafraum von Kombarov von hinten zu Fall gebracht, die Pfeife von Schiedsrichter Atkinson blieb aber stumm.

Die Entscheidung fiel letztendlich nach einer umstrittenen Szene. Bei einem Okotie-Schuss dürfte der Ball hinter der Linie gewesen sein, doch der Treffer wurde nicht gegeben. Kurz darauf der nächste Angriff, wieder brachte Harnik die Flanke zur Mitte und Okotie vollendete in der Mitte zur vielumjubelten Führung. Okotie und Arnautovic waren wohl nur deshalb noch so weit vorne, weil sie nach der Aktion zuvor zu den Linienrichtern rannten.

Die Russen wollten danach den Ausgleich, schafften es aber nicht zwingende Chancen herauszuspielen. So schaffte Österreich den Sieg über den vermeintlich stärksten Gruppengegner und macht einen großen Schritt in Richtung EURO 2016.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Russland-Spiel

1) Österreich hat einen Einser-Tormann. Robert Almer hat es geschafft, sich in einem Monat von der hart kritisierten Notlösung zur unangefochtenen Nummer 1 hochzuhanteln.

2) Sogar Stützen wie Baumgartlinger oder Alaba können ersetzt werden. 

3) Mit Rubin Okotie hat man einen absoluten Spiel-Entscheider in den Reihen. Wo war der Mann vor einem Jahr? 12terMann.at war schon an ihm dran, als noch niemand ansatzweise mit seinem Aufstieg gerechnet hat, siehe hier.

4) 40 % Österreich (abzüglich Julian Baumgartlinger) reichten gegen 160 % Russland.

5) Koller hat es wieder geschafft, die richtige Taktik zu wählen. Auch die Aufstellung lässt im Nachhinein wenig Platz für Kritik. Der Mann hat ein Goldenes Händchen.

6) Auch die anderen Teams der Gruppe G spielen scheinbar für Österreich. Montenegro und Schweden trennten sich 1:1, wodurch der Abstand zu den zweitplatzierten Skandinaviern vier Punkte beträgt.

7) Noch ist nichts geschafft. Die härtesten Konkurrenten empfing man zuhause, 2015 warten die Rückspiele vor fremdem Publikum auf das Nationalteam.

8) Österreich kann wichtige Spiele gewinnen. Nicht auszudenken, wie so ein Spiel vor wenigen Jahren ausgegangen wäre. Sämtliche Schlüsselspiele in Qualifikationsspielen wurden verloren. Plötzlich besitzt Österreich den jahrelang vermissten Killerinstinkt.

9) Die Defensive steht. Jammern über einzelne Fehler in der Abwehr passiert auf hohem Niveau. Vorbei sind die Zeiten, als selbst Teams wie Finnland, Kasachstan oder gar die Färöer mehrmals alleine aufs österreichische Tor zulaufen konnten. Ganz zu schweigen von Spielen gegen stärkere Teams. Hinteregger, Dragovic & Co. haben gegen Montenegro, Schweden und Russland vielleicht fünf wirklich gute Chancen für den Gegner zugelassen. Das ist aller Ehren wert.

10) Das Nationalteam begeistert Spieler und Fans. Ebenfalls passé sind die Zeiten, als es für die Spieler eine Qual war zu Länderspielen anzureisen, weil es im Nachhinein ohnehin nur mediale Schelte zu ernten gab. Die Freude merkt man jedem einzelnen Spieler in jedem Interview an. Man hat das Gefühl, dass es für die Kicker das Größte und Wichtigste ist im Team erfolgreich zu spielen. Früher hieß es, Österreich habe Spieler, die in ihren Klubs Leistungen bringen, sobald sie zum Team stoßen, wären sie aber nicht wiederzuerkennen. Das ist nun genau umgekehrt. Auch die Leistung der Fans muss hier honoriert werden. Im Gegensatz zu früher steht man scheinbar bedingungslos hinter der Mannschaft, in den wichtigen Phasen kommt der letzte Antrieb noch einmal von der Tribüne. Das Spiel am Dienstag gegen Brasilien haben sich alle redlich verdient. Und wer weiß, vielleicht schafft man es tatsächlich, das Kalenderjahr 2014 als einziges Team in Europa ohne Niederlage abzuschließen.

 

Die wunderbaren Highlights des gestrigen Abends (Tor, Interviews, Stimmungsimpressionen) haben wir wieder als Video für euch herausgesucht und in diesem Artikel zusammengefasst:

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Benotung

Robert Almer – Note 2: Wurde bis auf einen Kopfball und den Lattenschuss nicht wirklich gefordert. Beim Lattenschuss hätte man ihm keinen Vorwurf machen können und den Kopfball nach einer Ecke konnte er ohne größere Probleme parieren. Auch wenn zu viele Abschläge ins Aus gingen, einer dieser langen Bälle war es auch, der schließlich zur 1:0-Führung beitragen sollte.

Florian KleinNote 2-: Defensiv agierte der Deutschland Legionär weitgehend souverän. Klärte kurz nach Wiederanpfiff in höchster Not zur Ecke. Was auffiel: im Defensiv-Spiel rückte er meist sehr weit ins Zentrum ein, wodurch die Russen auf der Außenbahn viel Zeit zum Flanken hatten. Da dies aber auch sein Kollege Fuchs so praktizierte, war dies wahrscheinlich eine taktische Vorgabe von Koller. In der Offensive war Klein bemüht und gewann auch das Kopfballduell vor dem Treffer von Rubin Okotie.

Alexander DragovicNote 1: Bis zu seiner Auswechslung kurz vor Schluss hat der Innenverteidiger gefühlt keinen Zweikampf verloren. Sowohl am Boden als auch in der Luft eine Macht. Einzig beim Lattenschuss, zögerte er beim Herausrücken auf Kokorin ein wenig, was beinahe prompt bestraft wurde. Strahlt im Verbund mit seinem Nebenmann Hinteregger unglaubliche Sicherheit aus. In der Spieleröffnung blieb er ohne Fehler, was aber vor allem auch daran liegt, dass dies eher der Part von seinem Nebenmann ist und Dragovic daher selten Risiko nehmen muss. Nun bleibt nur zu hoffen, dass es sich bei seiner Verletzung um nichts Schlimmes handelt.

Martin HintereggerNote 2-: Hätte sich wohl die Top-Note verdient, wenn ihm nicht bei einigen Pässe in das Mittelfeld Ungenauigkeiten passiert wären, die dann auch für Gefahr vor dem Tor von Robert Almer sorgten. Im Zweikampf ist der junge Salzburger eine Macht. Nur einmal verlor er Kokorin aus den Augen, dessen Kopfball segelte aber am langen Pfosten vorbei. Vor allem beim Gedanken an das Alter unserer beiden Innenverteidiger kann man entspannt in die nächsten Länderspieljahre gehen.

Christian Fuchs – Note 2-: Seine besten Aktion neben dem Torjubel-Bodycheck an Marcel Koller waren wohl die Vorarbeit zu Arnautovic‘ Großchance und der Freitsoß auf Martin Harnik vor dem vermeintlichen Führungstreffer. Allerdings war der Schalke-Legionär diesmal auch in der Defensive da wenn es brenzlig wurde. Darum im Großen und Ganzen ein sehr ordentlicher Auftritt unseres Kapitäns.

Stefan Ilsanker – Note 3: Ist nicht Julian Baumgartlinger, was aber keineswegs ein Vorwurf sein soll. Warf wieder einmal seine volle Kampfkraft auf den Platz und war so ein wichtiger Baustein im Defensivverbund. Sollte allerdings für das nächste mal seine Schuhwahl überdenken, denn der großgewachsene Salzburger lag des öfteren ungewollt auf dem Rasen herum. Teilweise war er in der Vorwärtsbewegung etwas zu hektisch, was zu dem einen oder anderen Fehlpass führte.

Christoph LeitgebNote 3-: War derart unauffällig, dass man sich teilweise fragen musste, ob der Bulle schon noch auf dem Rasen unterwegs war. Allerdings machten er und sein Nebenmann das Zentrum derart dicht, dass er eigentlich nur Lob verdient haben kann. Natürlich wünscht man sich von einem Mann seiner fußballerischen Klasse auch den einen oder anderen Akzent nach vorne und deshalb gibt es auch keine bessere Note.

Martin Harnik – Note 2+: Er gab den Assist zum eigentlichen 1:0 sowie zum endgültigen 1:0. Das ist eigentlich alles was man sagen muss. Neben Zlatko Junuzovic war Harnik wieder einmal der Spieler mit den meisten Metern im Vollsprint. Der Stuttgarter hatte in der 1. Hälfte auch die größte Chance für unsere Elf. Allerdings wünscht man sich bei ihm teilweise etwas mehr Ruhe am Ball, um gute Möglichkeiten dann auch wirklich zu Ende zu spielen.

Zlatko Junuzovic – Note 2-: Das Laufpensum des Mittelfeldzwerges hinterlässt uns in der Redaktion jedes mal wieder mit offenen Mündern. Während andere bereits wegen Krämpfen behandelt werden bohrt der Bremer die Torhüter auch in der 89. Minute noch mit einem Sprint über 30 – 35 Meter an. Das ihm dabei teilweise fußballerisch nicht alles gelingt möge ihm verziehen sein. Seinen Wert für das Team unterstreicht er trotzdem jedes Spiel.

Marko Arnautovic – Note 2-: Seine Wandlung vom Showman zum absoluten Teamplayer unter Marcel Koller ist schier unglaublich. Außerdem war von seiner Handverletzung rein gar nichts zu sehen. Erneut erkämpfte er Bälle am eigenen 16er und brachte mit seinen kurzen Haken die Verteidiger am anderen Ende des Platzes ins schwitzen. Das einzige was ihm jetzt noch fehlt ist ein Treffer zur Krönung seiner Leistungen aus den letzten Partien. Aber wer weiß, vielleicht schreibt der Fußball-Gott schon das nächste Märchen und Arni schießt uns gegen Brasilien zum Sieg.

Marc JankoNote 3: Tat sich schwer gegen die Abwehrrecken der Russen und bei einer (Halb-)Chance nach Vorarbeit von Harnik hatte er auch etwas Pech dass Akinfejev den Bruchteil einer Sekunde vor ihm an den Ball kam, sonst wäre womöglich schon hier das Happel-Stadion ausgeflippt. Stellt sich ansonsten wieder in den Dienst der Mannschaft und war bei Ballbesitz Russland der erste Verteidiger. Bereits in der 59. Minute war der Arbeitstag für ihn dann beendet.

Rubin Okotie – Note 1: Wir haben bereits von einem Fußballmärchen geschrieben. Ein ebensolches erlebt der Stürmer zur Zeit. Er war gerade einmal etwas mehr als 10 Minuten im Spiel, als bereits das ganze Oval den Torschrei auf den Lippen hatte, bzw. die meisten auch schon gefeiert haben. Doch Schiedsrichter Atkinson hatte da noch etwas dagegen. Sekunden später war aber erneut Okotie zur Stelle und der Rest ist ohnehin Geschichte. Auch neben seinem Tor brachte Okotie eine tolle Leistung. Er hielt die Bälle weit vorm eigenen Kasten fest und machte sich so zum zweiten Mal in Folge zum Helden des Happel-Stadions.

Sebastian Prödl: Kam in der 86. Minute für den verletzten Dragovic und machte dort weiter, wo sein Vorgänger augehört hatte. Gnadenlose Zweikampfführung und im Luftkampf eine Macht. Über das Foul in der Nachspielzeit wollen wir jetzt einmal hinwegsehen, da er da auch von seinen Kollegen etwas im Stich gelassen wurde.

Marcel Sabitzer: Wurde in der Nachspielzeit für Arnautovic eingewechselt und durfte auch noch einmal in Bedrängnis klären. Ansonsten gab es in der Spielzeit keine großen Highlights mehr für ihn.

Marcel Koller – Note 1: Der Schweizer hatte vor dem Spiel die russische Mannschaft vielleicht nicht ganz richtig gelesen, aber er veränderte während des Spiels die Taktik derart, dass der Sieg für unsere Elf absolut in Ordnung geht. Außerdem bewies er mit dem Wechsel von Okotie ein goldenes Näschen und darf sich somit zu Recht als einer der Helden des gestrigen Abends fühlen.

IN KOLLER WE TRUST.

 

Derzeit ist wohl ganz Fußball-Österreich „Feuer und Flamme für Koller’s Eleven

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(Jakob Penner, Klaus Höflmeier)