Nationalteam

Interview mit Pavao Pervan: „Man muss nicht immer den typischen Weg gehen“

[spielerprofil spieler=“Pavao Pervan“] steht in der Pole-Position für das Einser-Leiberl im ÖFB-Nationalteam für die kommende Europameiterschaft. Für 12terMann.at hat er sich die Zeit genommen, um über seinen ungewöhnlichen Werdegang, seine Covid-Erkrankung und Bier-Präferenzen zu sprechen.

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12terMann.at: Danke, dass Du dir die Zeit für uns nimmst. Starten wir mit einer in diesen Zeiten sehr wichtigen Frage – wie geht es dir?

Pavao Pervan: Sehr gut, danke. Jetzt im Moment sind wir sehr erfolgreich – da ist gleich alles noch viel schöner. Allgemein geht es mir hier sehr gut, ich habe mich richtig gut eingelebt und kann mir auch vorstellen länger zu bleiben. Was die Coronakrise angeht, ist es hier in Deutschland noch ein bisschen strenger als in Österreich, aber wir versuchen natürlich das Beste aus der Situation zu machen und hoffen, dass die Zahlen bald runtergehen.  Wir hoffen alle, dass bald wieder eine gewisse Normalität einkehrt.

Du wurdest vor etwas mehr als einem Monat selbst positiv auf Corona getestet, merkst du noch Nachwirkungen von der Infektion?

Ich muss ehrlich sagen, ich war sehr geschockt, als ich die Resultate bekommen habe, da ich wirklich sehr vorsichtig bin und Kontakte vermeide. Aber ich habe Glück gehabt, da ich nur milde Symptome gehabt habe und auch etwas daheim trainieren konnte. Als ich wieder ins Training eingestiegen bin, wurde ich sehr oft getestet und kam schnell wieder rein. Gott sei Dank spüre ich zudem keine Nachwirkungen der Erkrankung.

Wie läuft so ein Heimtraining ab?

Ich habe von unserem Athletiktrainer ein Paar Trainingsgeräte nach Hause geliefert bekommen – Ergometer, Hantelscheiben, Kettlebells, Bänder, Medizinbälle und auch Gymnastikbälle. Dazu habe ich auch einen Plan bekommen, der sehr gut auf mich zugeschnitten war. So konnte ich dann in einem guten Zustand zurückkehren. 

Bei dieser Ausstattung ist die Gefahr von Langeweile in der Quarantäne eher gering.

[Lacht] Ja das stimmt, das brauche ich auch – ich bin kein Typ, der zehn Tage nur zu Hause herum liegen kann, das schaffe ich nicht einmal im Urlaub, geschweige denn innerhalb der Saison.

Wie sieht Du generell die Rolle von Sportlern in der Coronakrise? Von außen betrachtet ist es ein zweischneidiges Schwert: auf der einen Seite könnt ihr euren Beruf nachgehen und seid privilegiert, auf der anderen Seite geht ihr auch ein größeres Risiko ein.

In erster Linie müssen wir dankbar sein, dass wir unserem Job nachgehen dürfen – das ist sicher ein Privileg. Ich glaube jedoch auch, dass wir diesen Vertrauensvorschuss auch zu schätzen wissen. Zudem geht es ja nicht nur um die Spieler auf dem Platz, wenn man bedenkt wie viele Menschen im Fußball mitarbeiten. Wenn man sich das Hygienekonzept der DFL ansieht, dann sieht man auch, dass hier wirklich top gearbeitet wird. Angst habe ich daher nicht, denn wir Sportler sind ja nur mit Menschen in Kontakt, die in diesem Testpool beinhaltet sind. So liegt es an jedem Einzelnen, dass er sich so professionell verhält wie alle hier im Verein.

In erster Linie müssen wir dankbar sein, dass wir unserem Job nachgehen dürfen – das ist sicher ein Privileg. Ich glaube jedoch auch, dass wir diesen Vertrauensvorschuss auch zu schätzen wissen.

Wie sieht das Konzept im Verein aus – hast du noch einen Überblick wie oft du schon getestet wurdest?

Hier im Verein werden wir jeden Tag getestet – es soll so engmaschig wie möglich gehalten werden. Positive Spieler sollen natürlich sofort isoliert werden. Alles in allem beweist der Fußball, dass die Krise bewältigt werden kann, wenn man konsequent bleibt.

Die EM findet nun wie geplant in zwölf Ländern statt – für dich verständlich?

Es war überraschend – es ist ja sehr viel diskutiert worden, ob es eine Ein-Land-Lösung geben sollte. Ich sehe der ganzen Thematik entspannt entgegen, weil ich nichts dazu beitragen kann, also heißt es für uns warten auf die finale Entscheidung. Ich glaube, dass die EM mit zwölf Ländern funktionieren kann – denn auch in Deutschland müssen wir zu Auswärtsspielen fliegen. Ein fahler Beigeschmack ist jedoch, dass vermutlich keine Fans zugelassen werden. Ich vertraue bei der Entscheidung auf die Verantwortlichen und hoffe jedenfalls, dass ich gesund bleibe und dann dabei sein darf.

Fotocredits: Joseph Estl

Schieben wir das Thema Corona zur Seite und kommen wir zum sportlichen – Wenn man sich deine Vita so durchliest, bekommt man den Eindruck „der Typ ist ein Kämpfer“ vor knapp zehn Jahren hast Du noch in der Regionalliga gekickt und jetzt stehst du im Kader eines deutschen Spitzenklubs und im Tor des österreichischen Nationalteams. Was steckt hinter diesem kometenhaften Aufstieg?

Da stecken viel Arbeit und der Glaube an sich selbst dahinter. Ich habe meine Ziele immer sehr hartnäckig verfolgt. Ich habe immer wieder Hindernisse in meiner Karriere gehabt, die ich bewältigt habe. Zur richtigen Zeit habe ich dann sicherlich auch das notwendige Quäntchen Glück gehabt, das immer auf deiner Seite sein muss. Ich glaube jedoch, dass ich verdient hier stehe – beim VfL Wolfsburg. Ich bin auch sehr glücklich, dass das funktioniert hat. Immerhin ist es nicht selbstverständlich mit 30 Jahren von Österreich noch nach Deutschland zu wechseln, aber ich hoffe, ich habe auch gezeigt, dass es in diesem Alter nicht zu spät ist. Zudem arbeite ich hart daran, dass dieser Erfolgslauf anhält und ich noch das eine oder andere in meiner Karriere erleben darf. Ein Punkt, auf den ich zudem immer vertrauen konnte, war meine Fitness, die mir dabei geholfen hat, dass alles so kommt wie es kommen soll.

Neben deinem Aufstieg läuft es auch bei deinem Klub sehr gut. Wolfsburg spielt eine überragende Saison, was ist dieses Jahr euer Geheimnis?

Im Verein hat sich viel getan. Ich bin nach dem zweiten Relegationsjahr gekommen und da war die Stimmung natürlich nicht so gut wie jetzt, weil es eine sehr ungewisse Zeit war – da lag auch etwas Angst in der Luft. Aber mit der Geschäftsführung und neuen Entscheidungsträgern im Verein haben wir uns nach oben gearbeitet und stehen verdient da, wo wir jetzt sind. Zudem haben wir eine gute Mischung aus Spielern, die die Relegation erlebt haben und neuen Kräften. Momente wie die Relegation sind jene, die einen Sportler prägen – auch ich habe mit dem LASK diverse Rückschläge erlitten (von der Bundesliga in die Regionalliga). Wir stehen daher aufgrund einer sehr guten Philosophie, einer sehr guten Transferpolitik und Geduld verdient da, wo wir jetzt sind. Ich habe zum Zeitpunkt meines Wechsels daran geglaubt, dass der VfL Wolfsburg ein Verein ist, der sich in den Champions-League-Plätzen etablieren kann.

 

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Letzten Sommer durfte ich auch mit Oliver Glasner sprechen, es kam dabei der Eindruck zustande, der Autostadt-Klub würde wie auf Schienen laufen – alles klar strukturiert und der Professionalität wird alles untergeordnet, kannst du diesen Eindruck bestätigen?

Ja, hier läuft tatsächlich alles top ab und das in allen Bereichen – egal ob bei den Trainingsbedingungen, den Medienterminen, dem Stadion oder bei den Mitarbeitern. Es macht hier einfach sehr viel Spaß. Was ich zudem sehr schätze, ist der Fakt, dass sich hier keiner zufriedengibt, man versucht sich immer zu verbessern. Mit VW als Partner haben wir hier die Möglichkeiten, unsere Ziele zu verfolgen. Es wird richtig gut gearbeitet auf allen Ebenen und das zeigt mir einmal mehr, dass ich beim richtigen Verein bin.

Interview mit Oliver Glasner

 

Ich habe zum Zeitpunkt meines Wechsels daran geglaubt, dass der VfL Wolfsburg ein Verein ist, der sich in den Champions-League-Plätzen etablieren kann.

Wie siehst du dein Standing im Team – zweiter Keeper ist meist eine schwierige Situation, aber aus dem Gespräch bisher entsteht der Eindruck, dass du voll in dieser Rolle aufgehst?

Ja absolut! Mit mir wurde von Beginn an sehr offen geredet, was meine Position und Rolle im Team betrifft – mir war also bewusst, worauf ich mich einlasse. Ich habe aber natürlich auch gewusst, dass mir keiner die Hoffnung nimmt zu Einsätzen zu kommen. Ich habe jetzt in zweieinhalb Jahren 26 Pflichtspiele absolviert, das ist dann schon eine sehr gute Zahl für einen zweiten Torhüter. Ich habe mich dann auch ins Nationalteam gespielt und so glaube ich, dass ich alles richtig gemacht habe. Zudem glaube ich, dass mein Weg noch nicht vorbei ist – ich trainiere hier auf sehr hohem Niveau und werde wirklich jeden Tag besser. Ich bin auch niemand, der sich auf die Bank setzt und wartet bis die Zeit vergeht Stattdessen möchte ich mich immer verbessern und etwas bewirken. Aufgrund der höheren Intensität hier kann es immer sein, dass man gebraucht wird, auch wenn man mal nicht damit rechnet – und dann möchte ich bereit sein. Ich glaube auch, dass es mir gelingt im Training immer wieder andere mitzuziehen, sodass wir am Ende alle davon profitieren.

Wie läuft die Zusammenarbeit konkret mit Koen Casteels ab? Der Fußball hat zwischen Stamm- und Ersatztorhüter schon einige Geschichten geschrieben – beispielsweise Kahn vs. Lehmann WM 2006.

Bei uns läuft der Austausch sehr gut ab. Auch wenn wir Konkurrenten sind, zeigen wir meines Erachtens nach gut, wie man korrekt miteinander umgeht und so alle davon profitieren können. Allein die Kritik, die wir uns gegenseitig geben, beweist unser gutes Verhältnis. Ich bin auch felsenfest davon überzeugt, dass wir auch später noch in Kontakt bleiben werden.

Trotz weniger Spielzeiten im Klub scheinen die Chancen auf das Einser-Leiberl im Team gut zu stehen. Viele unserer Leser schienen etwas überrascht darüber, dass Du bei den letzten Spielen stets die Nummer eins warst und nicht rotiert wurde – warst du selbst etwas überrascht?

Nachdem ich beim ersten Oktober-Lehrgang die drei Spiele absolvieren durfte, habe ich mir natürlich Chancen ausgerechnet. Druck habe ich mir aber keinen gemacht, immerhin habe ich gewusst, dass ich in Wolfsburg nicht der Stammkeeper bin, der jede Woche Spielpraxis sammelt. Trotzdem war ich sehr glücklich darüber, dass mir der Teamchef das Vertrauen schenkt. Wir waren in dieser Zeit auch sehr erfolgreich. Wir haben von sechs Spielen fünf siegreich beendet und die Nations-League-Gruppe gewonnen. Da waren wir alle sehr glücklich und auch meine Mitstreiter im Nationalteam haben mir diesen Erfolg gegönnt – die Stimmung passt also auch hier.

Das Nationalteam stand nach den letzten Partien oft in der Kritik, ob des eher mauen Spielwitzes – wie siehst Du die Lage, vor allem als Torhüter als man nur bedingt eingreifen kann.

Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich die Kritik – man darf natürlich auch kritisch sein. Auf der anderen Seite muss man jedoch auch sagen, dass die Ergebnisse und der Erfolg da waren. Ich glaube, dass wir die Spiele auch nicht glücklich gewonnen haben, sondern wirklich verdient. Vom Potential, das sich im Nationalteam befindet, glaube ich, dass wir gegen noch bessere Gegner noch bessere Leistungen bringen werden – da bin ich sehr entspannt. Wenn ich bei den Lehrgängen sehe, wie die Jungs am Platz stehen, glaube ich auch, dass wir eine sehr gute Euro spielen werden.

Man bekam vor allem im Spiel in Nordirland das Gefühl, dass man das 1:0 in der zweiten Hälfte über die Zeit retten wollte. Beim Treffer warst Du noch der Spieleröffner, generell standest Du und das gesamte Team sehr hoch. Nach der Pause zog man sich mehr zurück – macht einen das als Torhüter nervös, wenn die Feldspieler passiver werden? In der Nachspielzeit wurde es dann zudem noch einmal richtig gefährlich.

Nervös wird man nicht – hier und da freut man sich ja auch, wenn man etwas zu tun bekommt. Es ist nicht so, dass ich Angst bekomme, wenn der Gegner in unsere Hälfte kommt. Das ist dann auch logisch, dass die in Rückstand liegende Mannschaft viel versucht und du hohe Bälle spielst, und viele Flanken schlägst – vor allem, wenn es sich wie bei Nordirland um körperlich sehr robuste Spieler handelt. Nervös darfst du aber nicht werden. Die angesprochene Großchance resultierte aus einem individuellen Fehler, wo wir bei einem kurz abgespielten Freistoß etwas geschlafen haben. Das war also nicht so, dass die Nordiren sechs Spieler von uns ausgespielt hätten, sondern viel mehr ein Konzentrationsfehler. Unter dem Strich haben wir aber auch dieses Spiel meines Erachtens nach verdient gewonnen.

Auch wenn die Spielweise nicht immer überzeugt hat, passen die Ergebnisse – wie weit kann es im Sommer bei der Europameisterschaft gehen?

Ein Großereignis ist dann noch einmal etwas ganz Anderes und da spielt dann viel zusammen. Es wird sicherlich eine Rolle spielen, in welchem Flow sich die Spieler befinden, wie gut ihre Saison verlaufen ist und wie die Stimmung im Team aussieht. Vom Talent her traue ich uns zu, dass wir die Gruppe überstehen – das ist auch unser klares Ziel und danach kann alles passieren.

AUDIO: Pavao Pervan im Wordrap:

Wie hoch schätzt du die Chancen aufs Einserleiberl ein?

Mein großes Ziel ist einmal dabei zu sein – ich setze mir da Etappenziele – also bis dahin gesund und fit zu bleiben und danach ist alles möglich.

Du bist derzeit im besten Alter für einen Torhüter, doch irgendwann wirst auch die Handschuhe an den Nagel hängen, was soll in deinem Karriere-Nachruf stehen, wenn es einmal so weit ist und du deine Laufbahn beendest?

Dass ich ein gutes Beispiel dafür war, dass man nicht immer den typischen Weg über Akademien und Auswahlen gehen muss, um in eine der besten Ligen der Welt zu kommen. Und dass man auch mit Fleiß und Ehrgeiz gewisse Dinge kompensieren kann. Und dass ich stets ein Vollprofi und ein Vorbild für meine Mitspieler war.

 

Tobias Kurakin

  Tobias Kurakin (Redaktionsleitung) Bei 12ter Mann seit 3/2018