Nationalteam

Das Nationalteam – die ungeliebten Lieblinge Österreichs?

Stell dir vor, es ist Länderspiel und keiner geht hin! Gut, aktuell hindert uns ein Virus am Besuch von Fußballspielen, aber momentan ist es sehr fraglich, ob das österreichische Nationalteam auch in Nicht-Lockdown-Zeiten für ein volles Stadion sorgen könnte. Die Erfolge sind da, daran besteht kein Zweifel, von einer wahren Fußballeuphorie ist man aber meilenweit entfernt. Woran kann das liegen?

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Statistisch gesehen durchlebt das Nationalteam gerade eine sehr erfolgreiche Phase. Im Jahr 2017 gab es in acht Spielen nur eine Niederlage, 2018 wurden von elf Spielen drei verloren, 2019 von zehn Partien drei und 2020 gab es in den acht absolvierten Spielen auch nur eine Niederlage.

Zudem konnte sich das Team relativ souverän für die Europameisterschaft qualifizieren und auch in der Nations League den Gruppensieg und Aufstieg fixieren. Warum also wird momentan nach jedem Länderspiel, auch wenn es gewonnen wurde, gelästert und geraunzt?

Nun, man kann ein Spiel gewinnen und man kann ein Spiel gewinnen. Für die Fans steht nicht nur das reine Ergebnis im Vordergrund, sondern auch, wie dieses Ergebnis zu Stande gekommen ist. Und das Ergebnis sagt oft wenig über die Qualität des Spieles aus. Ein 1:0 Sieg kann ein mühevoller Kraftakt sein, aber auch genau so gut das Resultat eines packenden Spieles mit vielen Chancen sein. Man kann es mit der Formel 1 vergleichen, auch wenn am Ende meist Lewis Hamilton gewinnt, gibt es Rennen, die einem mehr im Gedächtnis bleiben als andere.

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Das österreichische Nationalteam spielt aktuell sehr erfolgreich, aber richtig vom Hocker werden die Fans bei den Auftritten nicht gerissen. Und wahrscheinlich ist das ein Hauptgrund für die momentane Nicht-Begeisterung. Man spürt, dass mit dem Kader, der dem Teamchef zur Verfügung steht, mehr möglich wäre, als das mühsame Spiel, das oft geboten wird.

In der Startformation gegen Nordirland standen zehn Spieler aus der deutschen Bundesliga und ein Akteur vom heimischen Serienmeister Salzburg. Der Großteil der Mannschaft steht auch bei Vereinen unter Vertrag, die auf eine dominante und aktive Spielweise setzen. Auf der Gegenseite bot der nordirische Teamchef zu Beginn nur zwei Spieler auf, die in einer ersten Liga spielen, alle anderen Kicker stehen in einer zweiten oder gar nur dritten Liga unter Vertrag. Trotzdem wurden mit [spielerprofil spieler=“Marcel Sabitzer“] und [spielerprofil spieler=“ Michael Gregoritsch“] nur zwei wirkliche Offensivkräfte aufgeboten. Erst als nach der Führung der Gäste der Hut brannte, wurde klar auf Angriff umgestellt was auch gleich zwei Treffer in sechs Minuten zur Folge hatte. Man sieht also, es würde ja gehen wenn es sein muss. 

Das Spiel zum Abschluss gegen Norwegen war quasi eine Kopie des Auftrittes gegen Nordirland, auch hier begannen nur drei Offensivkräfte ([spielerprofil spieler=“Marko Arnautovic“], [spielerprofil spieler=“Marcel Sabitzer“], [spielerprofil spieler=“Reinhold Ranftl“]), und wieder war es [spielerprofil spieler=“Adrian Grbic“], der mit seinem Treffer eine völlige Blamage verhinderte. Und nichts anderes als eine Blamage wäre eine Niederlage gegen die Corona-Notmannschaft von Norwegen gewesen. 

Man könnte jetzt in den Raum werfen, das bei beiden Spielen ein Sieg nicht unbedingt notwendig war. Vor dem Duell gegen Nordirland war klar, das Österreich auch bei einer Niederlage den Aufstieg am letzten Spieltag weiter in den eigenen Händen hätte. Und vor dem Spiel gegen Norwegen war fix, das jedes Remis und selbst eine 0:1 Niederlage für den Gruppensieg reichen würde. In gewisser Hinsicht sind die Gedanken des Teamchefs also zu verstehen, nicht mit aller Gewalt auf den Ausgleich zu drängen und sich vielleicht durch einen Konter den zweiten Treffer einzufangen der den Gruppensieg für den Gegner bedeutet hätte. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch Wechsel von [spielerprofil spieler=“Gernot Trauner“] für [spielerprofil spieler=“Stefan Ilsanker“] in der Schlussphase zu sehen. Trotzdem, die bessere Alternative wäre es natürlich gewesen, vorher alles klar zu machen und gar nicht in die Situation zu kommen, sich solche Gedanken machen zu müssen.

Ein Aspekt, der vor allem für die Zuseher wichtig ist, ist auch der Gegner. Hier war Österreich in letzter Zeit nicht mit großen Namen verwöhnt. In der EM-Qualifikationsgruppe waren mit Polen, Israel, Slowenien, Nordmazedonien und Lettland nicht die großen Gassenfeger dabei. Auch die Gegner in der Nations League haben keine große Strahlkraft ausgeübt, was aber auch am Wesen dieses Bewerbes liegt. Zumindest diese Tatsache wird sich mit dem Aufstieg in die Liga A ziemlich sicher ändern. Im Prinzip waren die beiden Testspiele gegen Deutschland und Brasilien im Juni 2018 die letzten beiden Partien gegen einen richtigen „Kracher“. Ohne jemanden kleinreden zu wollen, ein Match gegen den amtierenden Weltmeister hat eine komplett andere Zugkraft als das vierte Spiel gegen Nordirland innerhalb von 2 Jahren.

Ein Faktor, der sicher auch Auswirkungen hat, ist die Situation rund um Corona. Die Spieler leben seit dem Sommer permanent unter großem körperlichen als auch mentalen Stress. Der enge Spielplan mit Matches im Takt von drei Tagen geht auch beim besten Athleten früher oder später auf die Substanz. Dazu kommt die große psychische Belastung, ständig mit Test und der Angst vor einer Infektion konfrontiert zu sein. Es kommt auch immer wieder zu kritischen Äußerungen der Spieler, die sich manchmal wie Marionetten fühlen. Auch die Tatsache, ständig vor leeren Rängen ohne die gewohnte Stimmung antreten zu müssen, wird bei manchem Spieler verhindern, die volle Leistung abrufen zu können. Auch für das Trainerteam ist die Sache alles andere als einfach. Zusagen, Absagen, Quarantänen und Reisebeschränkungen haben zur Folge, das zwei Tage vor einem Spiel eventuell noch gar nicht feststeht, wer überhaupt für einen Einsatz zur Verfügung steht. Eine zielgerichtete Vorbereitung auf den Gegner ist so ein Ding der Unmöglichkeit.

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Vor diesem Hintergrund betrachtet, hat sich das Nationalteam mehr als achtbar aus der Affäre gezogen. Auch mit einer komplett bunt zusammengewürfelten Mannschaft, wie gegen Griechenland oder Luxemburg, ist Österreich inzwischen in der Lage, diese Spiele zu gewinnen, auch wenn es manchmal nicht zum Anschauen ist. Vor 10 Jahren hätte sich der heimische Fußballfan bei so einer Startelf wie im Test gegen Luxemburg noch alle zehn Finger abgeschleckt. Und in der Vergangenheit gab es genug (Bei)Spiele, bei denen Österreich schlecht gespielt und dann auch noch verloren hat.

 
 
 
 
 
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Sicher hat sich dadurch auch die Erwartungshaltung geändert. Im Rahmen der Qualifikation für die EURO 2016 trat das Team eine wahre Euphoriewelle los. Zu diesem Zeitpunkt konnten sich zahlreiche Fans an die letzte erfolgreiche sportliche Qualifikation für eine Endrunde gar nicht mehr erinnern. Durch den starken Kader und die Erfolge der letzten Jahre wird ein EM-Ticket nicht mehr als sensationeller Erfolg wahrgenommen, sondern als Mindestanforderung und Pflichtübung. Trotzdem ist es gut, überhaupt in einer Position zu sein, in der man so denken kann.

Alles in allem gibt es also viele Gründe, warum die Lage aktuell so ist wie sie ist. In gewissen Bereichen hat man eine Änderung in der eigenen Hand, zum Beispiel in der Spielanlage und Ausrichtung auf dem Feld, andere Dinge sind leider nicht zu beeinflussen. Hoffen wir alle, dass wir im Jahr 2021 zusammen wieder die Freude an unserem Nationalteam finden können.

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Matthias Riemer

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Matthias Riemer
(Redaktionsleitung/Frauenfußball)

Bei 12terMann seit: 12/2013

M: matthias.riemer@12termann.at

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