Rest der Welt

Interview mit Emanuel Pogatetz

 „Die MLS kann eine der besten Ligen der Welt werden!“

Emanuel Pogatetz steht seit September 2014 bei Columbus Crew SC unter Vertrag, in der vergangenen Saison kam Pogatetz nur zu zwei Kurzeinsätzen in der Major League Soccer. In der aktuellen Saison ist der Österreicher in der Innenverteidigung von Columbus gesetzt und hat die beiden ersten Saisonspiele durchgespielt. Wir haben uns letzte Woche mit Pogatetz über Amerika, die neue Generation Fußballer und das Nationalteam unterhalten. 

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12terMann: Herr Pogatetz, wie geht es Ihnen?

Pogatetz: Mir geht es gut, die Saison hat ja jetzt zum Glück rechtzeitig begonnen, nachdem das am Anfang nicht so sicher war ob die Verhandlungen zwischen der Spielergewerkschaft und der Major League Soccer (MLS) erfolgreich sein würden. Die Verhandlungen liefen bis kurz vor dem Saisonstart, glücklicherweise konnten sich die Parteien einigen.

Beim ersten Saisonspiel gegen Houston durften Sie gleich durchspielen. Das Spiel endete mit 1:0 für Houston, wie haben Sie Ihr erstes MLS-Spiel erlebt.

Ja, leider sind wir mit einer Niederlage gestartet, dabei haben wir eigentlich recht gut gespielt und hatten gute Chancen. Mit dem Ergebnis können wir natürlich nicht zufrieden sein, mit der Leistung aber schon. Das Gegentor war unglücklich, der Gegner  war in dieser Situation ein Schritt schneller als wir in der Defensive. Unsere Chancen haben wir leider nicht genutzt, auch der gegnerische Torhüter hat sehr gut gehalten. Eigentlich ein positiver Start, nur das Ergebnis hat nicht gepasst.

Eine Gelbe Karte gehört bei Emanuel Pogatetz einfach dazu, oder?

(lacht) Ja, es war halt wieder ein bisschen ein komisches Spiel, ich hab im ganzen Spiel eigentlich nur zwei Fouls begangen. Das erste war gleich eine Gelbe, beim zweiten hab ich einen Konter unterbunden, das war dann schon fast die letzte Ermahnung. Einige Leute haben dann natürlich gesagt, war ja klar, erstes Spiel für Columbus, gleich eine Gelbe Karte.

Warum hat es in der vergangenen Saison nur zu zwei Kurzeinsätzen gereicht? Wo lagen die Gründe, der Trainer scheint ja jetzt auf Sie zu vertrauen.

 Letzte Saison bin ich erst spät zur Mannschaft gestoßen und aufgrund der langen Sommerpause in der ich auch keinen Verein hatte und nur selbst trainiert habe, war ich am Anfang nicht fit genug um zu spielen. Als ich die volle Fitness erreicht habe, hatte die Mannschaft einen guten Lauf und war bereits im Playoff, da hat der Trainer mit mir gesprochen und mir erklärt, er wolle jetzt nicht mehr rotieren. Das habe ich aber auch verstanden, im Endeffekt waren es auch nur vier fünf Spiele die ich verpasst habe, davor war ich körperlich nicht fit genug. Das war nicht so schlimm für mich, wichtig war, dass ich die Vorbereitung mitmachen hab können und jetzt will ich voll angreifen. Das erste Spiel ist schon mal ganz gut gelaufen für mich, von daher bin ich eigentlich ganz zufrieden.

„Ich bin überzeugt davon, dass die MLS in fünf bis zehn Jahren eine der besten Ligen auf der Welt werden kann.“

 

Wenn Sie unseren Lesern ihren Verein Columbus Crew kurz beschreiben könnten?

Columbus Crew gehört zu den Gründungsmitgliedern der Major League Soccer, natürlich hat die amerikanische Liga keine vergleichbare Tradition wie unsere Vereine in Europa. Columbus Crew war hier in Amerika auch der erste Fußballverein mit eigenem Fußballstadion, die Leute hier interessieren sich für Fußball. Natürlich stellt hier in Ohio der College Football alles in den Schatten, die Buckeyes haben immer zwischen 100.000 bis 120.000 Zuschauer im Stadion, da können wir nicht mithalten. Aber es kennt hier jeder die Crew, wir liegen bei einem Schnitt von 15.000 bis 20.000 Zusehern. Columbus versucht einen schönen Fußball zu spielen, nicht wie andere Vereine hier, die nur über die Physis kommen. Hier in Amerika sind alle Spieler sehr fit, das war aber immer schon so, auch in Europa galten die Amerikaner immer als sehr fit. Unser Team versucht einen schönen Spielaufbau aufzuziehen und über viel Ballbesitz zu kommen.

 

Der Fußball in den USA wird in Europa oft noch als Randsportart dargestellt. Wie ist Ihre Meinung, hat „Soccer“ dort schon den Durchbruch geschafft?

Fußball ist hier gerade dabei sich zu etablieren, es spielen schon mehr Kinder Fußball als American Football oder andere US-Sportarten. Das kommt durch die viele Kopfverletzungen bei American Football, das Risiko ist beim Fußball geringer. Anderseits hat die USA bei der vergangenen Fußball-WM sehr gut gespielt. Die Leute interessieren sich dadurch auch für die MLS und gehen zu den Spielen. Die Fernsehverträge wurden auch erweitert, zwei Spiele pro Woche werden nun auch in England gezeigt, ich bin überzeugt davon, dass die MLS in fünf bis zehn Jahren eine der besten Ligen auf der Welt werden kann. Die Möglichkeiten wären in Amerika auf alle Fälle gegeben. Im Moment ist das Niveau natürlich noch nicht auf demselben Level wie in England oder der Deutschen Bundesliga, das ist aber das Ziel der MLS.

Sie haben während Ihrer Laufbahn schon in vielen Ländern gespielt. Wo liegt der große Unterschied zwischen MLS und den europäischen Ligen?

Die Liga hier in Amerika ist nicht so taktisch, es gibt im Spiel oft große Räume, die Spieler sind alle immens schnell und dadurch sind die Spiele hier sehr flott. Je länger ein Spiel geht, desto mehr Platz ergibt sich, die taktische Disziplin geht dann oft verloren. Die Spieler haben auch nicht die individuelle Klasse wie in Europa, eigene Fehler bestraft der Gegner nicht immer. Man muss sich natürlich ein wenig umstellen auf die Liga.

Klingt alles etwas chaotisch, oder?

Chaotisch kann man durchaus sagen, dadurch ist die Liga aber auch athletischer, schneller und auch attraktiver für den Zuschauer, es geht hier sehr oft hin und her.

 

Sie sind einer der wenigen Österreicher, die bis jetzt von sich behaupten können, bei einer Fußball Europameisterschaft gespielt zu haben. Wie sind Ihre Erinnerungen an dieses Turnier?

Das war natürlich eine riesen Sache für uns. Allgemein muss man aber schon sagen, dass die Europa Meisterschaft zu früh gekommen ist. Wir waren noch nicht bereit auf höchstem Niveau mitzuhalten. Wir haben natürlich trotzdem unser Bestes gegeben, im Endeffekt war das Ausscheiden dann eh knapp, ein bisschen mehr Glück gegen die Deutschen im letzten Gruppenspiel und wir hätten aufsteigen können. Wir haben keine schlechte EM gespielt, nur hat uns der letzte Schritt nach vorne noch gefehlt. Wie das Nationalteam jetzt auftritt zeigt, dass die Mannschaft schon weiter ist.

Damals haben Sie Josef Hickersberger kritisiert und Sie wären fast nicht bei der EM dabei gewesen. Fehlte neben dem Glück noch etwas anderes?

 Josef Hickersberger hatte es damals schwerer, es gibt jetzt einfach viel besseres Spielermaterial. Ich persönlich kann das jetzt natürlich differenzierter betrachten, natürlich gibt es unterschiedliche Methoden oder Meinungen. Mit der Mannschaft die wir damals hatten, wäre ein Aufstieg eine große Überraschung gewesen, ich möchte das nicht am Trainer festmachen.

„Wenn man früher einen älteren Spieler im Training blöd angeredet hat, war man eine Woche lang Freiwild und hat schauen müssen, dass man die Trainingswoche übersteht“

 

Sie waren immer dafür bekannt, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen und Missstände aufzuzeigen. Oft wird kritisiert dass die Fußballakademien nur mehr perfekt geschulte Spieler ohne Ecken, Kanten und Eigenschaften ausspucken. Gehen dem Fußball die „Typen“ aus?

Als ich ein junger Spieler war, haben die älteren Profis auch immer gesagt, dass früher alles anders war. Jetzt bin ich quasi in der gleichen Rolle, vor allem in Nürnberg wo eine ganz neue Generation von Spielern dazugekommen ist. Als ich jung war, hatten wir vor den älteren Spielern noch mehr Respekt, man musste sich viele Sachen härter erarbeiten.  Schuhe putzen und Bälle tragen waren da noch die einfachen Sachen, man hätte sich nie getraut zu einem älteren Spieler frech zu sein, das hat sich schon geändert. Bei den Vereinen gibt es für jede Kleinigkeit schon einen eigenen Angestellten, die Spieler müssen eigentlich gar nichts mehr selbst machen. Da hat es dann schon öfters Auffasungsunterschiede oder Respektschwierigkeiten gegeben. Es sind natürlich nicht alle Spieler so, allgemein merkt man aber schon, dass eine neue Generation kommt.

War es früher schwieriger in eine Profimannschaft zu kommen?

Nicht schwerer, aber es war eben anders. Wenn man zum ersten Mal zu der Profimannschaft gekommen ist, dann musste man auch Schmutzarbeit erledigen. Das machte man als junger Spieler aber gerne, weil das einfach dazu gehörte und man stolz war, dabei zu sein. Heutzutage fallen diese kleinen Arbeiten weg und der Respekt wird dadurch auch geringer. Wenn man früher einen älteren Spieler im Training blöd angeredet hat, war man eine Woche lang Freiwild und hat schauen müssen, dass man die Trainingswoche übersteht. Das gibt es heutzutage nicht mehr.

Hat Emanuel Pogatetz mal einen Spieler im Training über das Feld gejagt?

Sicher würde man das gerne manchmal machen, heutzutage ist man aber auch immer mehr unter Beobachtung. Früher war es halt auch so, dass nicht immer gleich jede Kleinigkeit in den Medien gestanden ist. Sicher hätte ich dem einen oder anderen jungen Spieler manchmal meine Meinung gesagt oder am Feld eine Antwort gegeben. Das ist mittlerweile aber eine Sache des Trainers geworden.

Wenn Spieler Kritik ausüben werden sie oft medial überrannt, wie viel Schuld haben die Medien für aalglatte Interviews von Profisportler?

Ja, daher alles sofort berichtet wird, kann man den Medien schon eine Teilschuld geben. Aber der Wandel findet in der Gesellschaft generell statt, nicht nur im Fußball. Ich komm nochmal zum Anfang zurück, das haben wir damals auch von den älteren Spielern gehört. Jetzt höre ich mich selbst so reden wie damals die älteren Spieler. Neue Generation, neue Sachen, heute lebt halt jeder vor seinem Handy, das hat es halt früher noch nicht so gegeben.

Der Fan darf sich in den nächsten Jahren also auf keine Selfies von Emanuel Pogatetz freuen?

(schmunzelt) Nein, eher weniger. Wobei ich selbst eine Facebook-Seite habe und es gut finde, dass die Spieler angreifbarer für die Fans sind. Es ist aber nicht so, dass ich mich rund um die Uhr damit beschäftige. Das ich da aber jetzt wöchentlich ein Selfie poste wird nicht passieren, keine Sorge.

War die USA schon immer ein Ziel von Ihnen?      

Es war immer ein Wunsch von mir, am Ende meiner Karriere noch ein Abenteuer zu erleben. Ob ich genau nach Amerika wollte, würde ich nicht sagen. Ich wollte aber immer schon wo anders Fußball spielen, zum Beispiel in Asien. Die MLS ist jetzt natürlich perfekt, Amerika ist sowieso ein Land in dem ich mal wohnen wollte. Die Spieler kriegen hier ihre Gehälter ausgezahlt, das ist in anderen exotischen Ländern ja nicht immer sicher. Natürlich wäre ich aber noch gerne mit Nürnberg in der Bundesliga geblieben, jetzt ist es halt anders gekommen.

„Durch diese Gehaltsobergrenze ist die Liga aber sehr ausgeglichen, das ist natürlich toll. In Europa wird sich das nicht mehr ändern.“

 

Es wurde ja vor der Saison einiges geändert in der MLS, zB wurde das „Free Agent“-Status eingeführt. Damit bewegt sich die MLS ein wenig weg vom sonst so tyischen amerikanischen System.

Das stimmt schon, trotzdem ist es noch ein langer Weg zum europäischen System. Die Kriterien um den „Free Agent“-Status zu erhalten sind sehr schwierig. Man muss acht Jahre in Amerika gespielt haben und mindestens 28 Jahre alt sein. Der Weg ist aber eingeschlagen und das wurde alles ohne lange Streiks oder einem Lockout erreicht. In vier Tagen wurden eigentlich alle Punkte umgesetzt, die die Gewerkschaft gefordert hat.  Dadurch wird sich die Liga auch langfristig verbessern.

Wie meinen Sie das?

Durch den „Free Agents“ werden sich auf lange Sicht Vereine weiter vorne etablieren können, dadurch werden sie auch in Zukunft die besseren Spieler kriegen, die anderen Vereine müssen dann natürlich nachziehen. Der Salary Cap verhindert sowieso, dass Spieler überproportional gezahlt werden. Vor der Saison wurde aber die Gehaltobergrenze nach oben gedreht, auch das macht die Liga für bessere Spieler attraktiver.

 

Würden Sie so eine Gehaltobergrenze auch gerne in Europa sehen?

Das System in Europa ist natürlich komplett anders. Die Gehälter hier kann man natürlich nicht mit denen in Europa vergleichen. Im Vergleich zu anderen US-Sportarten sind die Gehälter aber auch viel höher als im Soccer, daran sollte man sich orientieren. Das Mindestgehalt in der MLS wurde jetzt auf 60.000 Dollar im Jahr gehoben, das ist halt nicht sehr viel, hier sind auch alles Profisportler unterwegs. Durch diese Gehaltsobergrenze ist die Liga aber sehr ausgeglichen, das ist natürlich toll. In Europa wird sich das nicht mehr ändern.

Zum Schluss noch eine skurrile Frage, kennen  Sie die Serie „True Detective“?

Ja, habe ich mir angesehen.

 

Ich frage weil auf Twitter jemand ein Foto von Hauptdarsteller Matthew McConaghey neben Ihres gestellt hat, zugegeben, eine gewisse Ähnlichkeit besteht.

Über so positive Scherze freu ich mich schon immer. In Middlesbrough gab es mal eine eigene Homepage mit Chuck Norris Witzen die auf mich umgelegt waren. Das fand ich schon sehr lustig.

Einen gewissen Ruf haben Sie sich ja schon erarbeitet.

(lacht) Ja, ist anscheinend so. Solche Sachen taugen mir, das ist lustig. Wobei ich nicht finde, dass ich McConaghey ähnlich schaue, vielleicht die langen Haare oder so, aber eigentlich kann ich bei diesem Vergleich nur gewinnen. Wenn ich mir denke, dass Wayne Rooney mit Shrek verglichen wurde, da bin ich noch gut weggekommen.

 

Das Interview führte Albert Schneider

Mitarbeit Matthias Riemer

 


Emanuel Pogatetz (32) wurde am 16. Jänner 1983 in Graz geboren. In seiner langen Karriere spielte der Österreicher für große Vereine wie Spartak Moskau, FC Middlesbrough und dem VfL Wolfsburg. Emanuel Pogatetz spielte seit 2002 61-Mal für den ÖFB und schoss dabei zwei Tore für Österreich. Im Sommer 2014 wechselte Pogatetz in die Vereinigten Staaten zu Columbus Crew.

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