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Thorsten Schick: „Foda ist nicht mehr der 4-4-2-Trainer“

Über 30 Jahre ist der letzte Titel der Young Boys Bern her. Mit [spielerprofil spieler=“Thorsten Schick“] und dem Trainer Adi Hütter befinden sich derzeit zwei Österreicher auf einem guten Weg, dies zu ändern. Die Stadt und die Fans sehnen einen Titel herbei. Über dieses Thema, den Trainer Adi Hütter, die Entwicklungen des österreichischen und Schweizer Nationalteams und den Erfolgslauf von Sturm Graz haben wir uns mit Thorsten Schick unterhalten.

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12terMann.at: Hallo Thorsten, vielen Dank , dass du dir für das Interview mit 12terMann.at Zeit genommen hast. Zu Beginn gleich einmal Gratulation zu der starken Herbstsaison in der Raiffeisen Super League. Habt ihr damit gerechnet, Mitte Dezember an der Tabellenspitze zu stehen?

Thorsten Schick: Rechnen kann man damit nicht, aber wir haben eine sehr gute Vorbereitung gehabt und haben da schon gemerkt, dass wir eine sehr gute Harmonie und Qualität in der Mannschaft haben. Wir haben gewusst, dass wir, wenn wir zu 100 Prozent unsere Leistung abrufen, sehr stark und schwer zu besiegen sind. In den meisten Spielen ist uns das gut gelungen und Stand jetzt sind wir vorne dabei. Wenn uns im Sommer jemand gesagt hätte, dass wir nach der Herbstrunde zwei Punkte vor Basel sind, dann hätte das jeder unterschrieben. Zudem sind wir im Cup-Halbfinale und waren auch in der Europa League-Gruppenphase. Von dem her war das schon ein sehr guter Herbst von uns.

Ihr wart voriges Jahr bereits Zweiter, hattet aber doch 17 Punkte Rückstand auf Serienmeister (Anm. acht Mal in Folge) Basel. Wieso konntet ihr heuer die Lücke schließen bzw. seit im Moment sogar eine Spur vorne?

Wir waren eigentlich die ganze vorige Saison immer Zweiter. Aber wenn du 17 Punkte Rückstand hast, dann fühlt sich das nicht so richtig wie ein zweiter Platz an. Da gab es eine Zweiklassengesellschaft letzte Saison. Mit Basel und dann dem Rest der Liga. Unser Ziel war, dass der Abstand nicht mehr so groß werden darf, und wenn möglich wollten schon auch wir diejenigen sein, die einen Vorsprung haben. Natürlich brauchst du dann in gewissen Spielen auch Glück und einen guten Spielverlauf. Diese Phasen haben wir gehabt und waren dann in einem Flow, wo wir richtig gute Spiele gemacht haben. Wenn du einmal vorne bist, willst du dort natürlich bleiben. Jetzt wollen wir am Wochenende in Luzern gewinnen, um dann mit einem Vorsprung in das Frühjahr zu starten.

Für dich persönlich lief die vergangene Saison besser. Dieses Jahr musst du oft auf der Bank Platz nehmen, auch wenn die letzten Wochen wieder etwas besser liefen. Hast du viele Gespräche mit Adi Hütter, die dich bestärken, dass du wieder vermehrt mit Einsatzzeit rechnen kannst?

Eine Garantie, dass man spielt, hat niemand und die kann mir der Trainer auch nicht geben. Letztes Jahr hab ich sehr viele Spiele gemacht und mir das mit guten Leistungen auch verdient und war auch zu recht in der Mannschaft. Im Sommer hatten wir einen kleinen Umbruch und haben viele gute Spieler dazubekommen, da der Verein einfach gesehen hat, dass wir uns verändern müssen um noch besser zu werden. Wir haben jetzt eine richtig gute Qualität und da war es für mich dann auch schwieriger in die Mannschaft zu finden. Wenn ich meine Chancen bekommen habe, habe ich die immer genutzt und gute Spiele gemacht. Das war auch die Resonanz vom Trainerteam und vom Verein. Durch die guten Leistungen hat der Trainer aber wenig Grund gehabt zu rotieren und der Erfolg hat ihm Recht gegeben.

Dein Vertrag läuft mit Ende der Saison aus. Gab es bereits Gespräche mit YB über eine Verlängerung bzw. hast du schon Pläne, wie es danach weitergehen soll?

Es hat schon erste Sondierungsgespräche mit dem Verein gegeben und ich bin auch mit meinem Manager immer in Kontakt. Ich hab jetzt im Winter aber überhaupt keine Gedanken, dass ich das Schiff hier verlasse. Das kommt in der Karriere einfach mal vor, dass man weniger Minuten spielt. Da heißt es hinten anstellen und trotzdem Gas geben. Ich bin bei einem richtig coolen Projekt dabei und wir haben große Ziele. Die Chancen bestehen, dass wir heuer einen Titel holen und da möchte ich unbedingt dabei sein. Was dann im Sommer ist, weiß ich noch nicht. Man wird sehen, wie sich das entwickelt, aber ich denke jetzt noch nicht sehr intensiv darüber nach.

Wie würdest du deinen aktuellen Trainer Adi Hütter beschreiben? Was macht ihn so erfolgreich?

Ich hab ja schon bei Altach mit ihm zusammenarbeiten dürfen, als er noch frisch im Trainergeschäft war. Von dort weg bis jetzt hat er sich extrem weiterentwickelt. In allen Bereichen. Er hat immer Erfolg gehabt. Egal ob mit Grödig, Salzburg oder auch hier. Er hat eine klare Linie, wie er Fußball spielen möchte und die zieht er durch. Wenn da einer nicht mitzieht, dann hat der auch keine Chance. Da ist er schon streng. Er macht einen richtig guten Job und anhand der Gerüchte um seine Person sieht man auch, dass er sich einen guten Namen gemacht hat.

Er hat eine klare Linie, wie er Fußball spielen möchte und die zieht er durch. Wenn da einer nicht mitzieht, dann hat der auch keine Chance. – Thorsten Schick über Adi Hütter

Die Young Boys waren das letzte Mal vor über 30 Jahren in der Saison 1985/86 Meister. Auch wenn erst die Hälfte der Spiele absolviert ist, merkt man die Sehnsucht der Fans, der Stadt nach einem Titel?

Ich hab das jetzt den zweiten Sommer erlebt. Vor der Saison ist immer eine Riesen-Euphorie und alle hoffen „heuer ist die Saison, wo wir den Fluch beenden und endlich einen Titel holen“. Letztes Jahr haben wir relativ schnell einen großen Rückstand gehabt und sind auch im Cup-Viertelfinale ausgeschieden. Da war im Verein und bei den Fans eine Enttäuschung da. Vor der neuen Saison haben wir uns dann gesagt, wir glauben an diese Chance. Dem Verein, der Stadt und den Fans würde das einfach richtig gut tun. Das sieht man auch an unserem Zuschauerschnitt von fast 20.000. Wir werden alles versuchen, dass wir einen Titel nach Bern holen. Aber eine Garantie gibt es nicht.

Ihr steht zudem im Cup-Halbfinale, wo ihr auf Basel trefft. Im anderen Halbfinale duellieren sich der FC Zürich und die Grasshoppers (Anm. mit Heinz Lindner und Marco Djuricin). Auch der letzte Cuptitel ist über 30 Jahre her. Ein Titel soll es diese Saison bei der aktuellen Ausgangslage dann doch sein oder?

Ja, auf alle Fälle. Bei den vier Mannschaften war es klar, dass uns im Cup-Halbfinale ein schwerer Brocken erwartet. Mit einem Heimspiel haben wir aber ein super Los. Da sind wir schon eine Heimmacht und da kann man sicherlich mit 30.000 Zuschauern rechnen gegen Basel. Jetzt wo wir in beiden Bewerben so gut dabei sind, kann man nicht mehr sagen, man will einfach eine gute Saison spielen. Da kann man schon sagen, dass man unbedingt einen Titel will. Es ist kein „Muss“ aber die Chance ist groß.

Die Europa League-Gruppenphase war weniger zufriedenstellend. Die Ergebnisse in der Liga zeigen, dass die Doppelbelastung nicht der Grund sein kann. War die Enttäuschung recht groß oder ist das Ausscheiden aufgrund der Tabellenführung leicht wegzustecken?

Unser primäres Ziel war es, wieder in die Gruppenphase einzuziehen und das haben wir geschafft. Wir hatten dann eine ausgeglichene Gruppe mit vielen engen Spielen. Die hätten auch ganz anders verlaufen können. Wir haben aber eine junge Mannschaft, wo viele noch kaum Europacup-Erfahrung hatten. International  sind die Spiele noch einmal anders als in der Liga. Natürlich war es unser Ziel weiterzukommen, aber nachdem wir in den anderen beiden Bewerben noch super dabei sind, können wir den Herbst als sehr gut abstempeln. Das Weiterkommen wäre ein Zuckerl gewesen.

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Die Schweiz hat sich seit 2004 für sieben von acht Großereignissen qualifiziert und sich somit im erweiterten Kreis der europäischen Elite festgesetzt. Kannst du erkennen, was die Schweizer besser machen als viele andere etwa gleichgroße Länder, zu denen auch Österreich zählt?

Für das bin ich fast zu kurz in der Schweiz. Ich kann aber sagen, dass jeder hinter der „Nati“ steht und bei den Spielen alle voller Euphorie sind. Das ist ein schöner Zusammenhalt. Sie haben viele gute Spieler, aber die haben wir in Österreich auch. In der Schweiz hat das schon Gewicht, wenn du bei der „Nati“ dabei bist. Ich hab das jetzt beim Play-off erst wieder selbst miterlebt.

Vom Kader her sind sie ja nicht wirklich über Österreich zu stellen, aber sie haben da eine unglaubliche Konstanz.

Genau, wir haben in Österreich auch viele Legionäre, die auch bei keinen kleinen Vereinen spielen. Die Schweizer haben schon eine super Mannschaft aber nicht so, dass man sagt, die müssen jetzt überall dabei sein. Sie sind aber immer kontinuierlich und meistens auch recht souverän dabei.

Wird die Qualifikation in der Schweiz noch groß gefeiert oder ist hier mittlerweile eine gewisse Normalität eingekehrt? Erwartet man die Teilnahme an den Großereignissen bereits?

Es wird schon als Ziel ausgegeben und man erwartet es sich, dass man dabei ist. Sie waren nach dem letzten Spiel der Qualifikation gegen Portugal schon enttäuscht, dass es nicht gleich geklappt hat. Danach waren aber alle voll fokussiert auf das Play-off. Die Freude war dann in den Medien und auch bei uns im Verein gewaltig. Es ist nicht selbstverständlich aber es gibt in der Schweiz mittlerweile den Anspruch, da dabei zu sein.

Es ist nicht selbstverständlich aber es gibt in der Schweiz mittlerweile den Anspruch, da dabei zu sein. – Thorsten Schick über die wiederholte WM-Qualifikation der Eidgenossen

Das Zuschauerinteresse in der Liga ist hoch. Der Schnitt ist der 14-höchste Europas (~11.100, Österreich 20. mit ~7.000 ). Sind die Schweizer fußballverrückter als die Österreicher? Oder zieht die Liga einfach mehr? Mit Eishockey und Skifahren gibt es ja zwei Sportarten, die vor allem im Winter Konkurrenz darstellen.

Bei uns in Bern ist Eishockey z.B. gewaltig. Der SC Bern hat da auch einen Schnitt von 17.000. Da ist es für uns natürlich auch schwer, Fans zu bekommen. Jetzt läuft es halt auch sehr gut. Da haben die Fans Lunte gerochen und sind voller Euphorie. Es gibt in der Schweiz einfach Basel, die immer viele Zuschauer haben – egal gegen wen. Dann gibt es noch den FC Zürich, der auch eine gute Fanbasis hat. Die drei Vereine bringen auswärts natürlich auch immer Fans mit und locken dann dort Fans an. In Österreich hast du halt nur Rapid, die ein großes und gut gefülltes Stadion haben. Sturm würde vielleicht mit einem größeren Stadion noch mehr Fans anlocken. Es gibt aber auch in der Schweiz schlechte Stadien und wenige Zuschauer. Es ist nicht alles besser als in Österreich.

Dein Stammklub und Ex-Verein Sturm Graz mischt heuer in der Bundesliga ganz vorne mit. Verfolgst du die Spiele der Blackys wenn möglich live bzw. gibt es Kontakte nach Graz?

Ja, klar. Durch die Doppelbelastung haben wir meistens am Sonntag gespielt, das war dann perfekt um am Samstag Sturm zuzuschauen. Graz ist natürlich meine Heimatstadt und Sturm mein Heimatverein. Ich kenn da noch viele Leute im  Verein und hab auch in der Mannschaft gute Freunde. Da hab ich schon noch viel Nähe und Beziehung zum Verein. Die spielen einen riesigen Herbst und sind nicht unverdient so weit vorne. Ich trau ihnen durchaus den ganz großen Wurf zu. Sie haben jetzt eine Euphorie in Graz und das ist dann mit den Fans überragend.

Ich trau ihnen durchaus den ganz großen Wurf zu. – Thorsten Schick über seinen Ex-Verein Sturm

Franco Foda, dein Ex-Trainer, ist neuer Teamchef. Dein momentaner Trainer war laut Aussagen des ÖFB ebenfalls im Gespräch. Wie hast du die Bestellung des neuen Teamchefs mitverfolgt?

Einerseits verfolg ich die österreichischen Sportportale nach wie vor und durch den Adi Hütter war es auch kurz in der Schweiz ein Thema. Der hat uns als Mannschaft aber schnell kommuniziert, dass es zwar Gespräche gegeben hat, er die Mission hier aber beenden wird. Ich glaub, er möchte sich hier in Bern mit einem Titel auch unsterblich machen. Der Franco Foda ist sicher eine gute Entscheidung, der mit seinen deutschen Tugenden dem Team weiterhelfen kann. Im letzten Jahr hat er auch bewiesen, dass er nicht der klassische 4-4-2-Trainer ist, als der er immer abgestempelt wurde. Sturm hat sehr variantenreich gespielt.

Das wurde auch gleich im ersten Spiel gegen Uruguay ersichtlich. Da hat das 4-4-2 in der ersten Halbzeit überhaupt nicht funktioniert und Foda mit einer Umstellung zur Halbzeit gleich einmal taktische Flexibilität bewiesen.

Auf alle Fälle. Im heutigen Fußball verstehen die Spieler die unterschiedlichen Systeme sowieso. Es gibt nicht mehr das eine System, das alle können. Gerade im Nationalteam ist es auch wichtig, dass man sich an seine Spieler und die Gegner anpasst. Das wird uns sicher helfen, dass wir gut in die nächste Qualifikation starten und uns für das nächste Großereignis auch wieder qualifizieren.

Du selbst bist für den neuen Teamchef kein Unbekannter, hast dich seit eurer gemeinsamen Zusammenarbeit weiterentwickelt und – trotz heuer weniger Einsatzminuten – auch im Ausland durchgesetzt. Wie schätzt du deine Chancen ein, in Zukunft Teil des Nationalteams zu werden? Ist das ein großes Ziel oder nimmst du es wie es kommt?

Ich nehme es wie es kommt. Ich habe letztes Jahr keine Gedanken daran verschwendet, als ich viele Spiele absolviert und auch Scorerpunkte gesammelt habe. Da bin ich gefragt worden, ob ich mir Gedanken übers Nationalteam mache. Ehrlichweise bin ich langsam auch zu alt. Wir haben viele junge Spieler, die jetzt nachkommen. Ich würd natürlich lügen, wenn ich sagen würde, dass kein Kindheitstraum in Erfüllung gehen würde. Aber ich rechne jetzt nicht damit und verschwend da auch keinen Gedanken daran. Wenn es passiert, passierts.

Danke für das Interview und auch noch einmal danke für dein unterschriebenes Trikot für unsere 12terMann-Weihnachtscharity, das um 159,00€ versteigert wurde.

Gerne und wegen einem Trikot für diesen guten Zweck könnt ihr euch jederzeit wieder melden.

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Sebastian Sohm

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Sebastian SOHM
(Redakteur, Nachwuchsfußball)

Bei 12terMann seit: 09/2015

M: sebastian.sohm@12termann.at

 

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