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„Ich genieße hier in Kroatien als Fußballer einen Superstar-Status“ – Interview mit Alexander Gorgon

Vor vier Jahren wagte [spielerprofil spieler=“Alexander Gorgon“] den Schritt in die kroatische Liga zum dortigen Spitzenklub HNK Rijeka. Wir sprachen mit ihm im Interview über seine efolgreiche Karriere in Rijeka und über die Corona-Krise.

Photo Credits: facebook.com/NK Rijeka

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Zu Beginn des Interviews würde ich dich gerne fragen, wie es dir und deiner Familie geht?

Ja, ich glaube auf jeden Fall ist es wichtig, dass wir alle gesund sind. Wir halten uns seit über vier Wochen brav an die Vorschriften. Es zerrt schon langsam an den Nerven und die Decke fällt uns auf den Kopf, vor allem mit zwei kleinen Kindern. Trotzdem steht der Gesundheitsgedanke im Vordergrund. Wir sitzen alle gemeinsam in dem Boot und können nur hoffen, dass es schnellstmöglich vorbeigeht. Je mehr Leute sich an die Vorschriften halten, desto eher wird diese Krise vorbeigehen.

Wie die meisten Fußballer habt ihr wahrscheinlich auch ein Heimprogramm bekommen. Wie beschäftigst du dich in der Zeit bevor und nachdem du dieses absolvierst hast?

So viel Zeit bleibt wiederum auch nicht übrig. Wir versuchen den Alltag so strukturiert wie möglich zu verbringen. Die ersten paar Tage waren sehr chaotisch, wo man später schlafen gegangen ist, da am nächsten Tag nichts am Plan stand. Bis nahezu zehn Uhr in der Früh zu schlafen ist jedoch nicht das Wahre, besonders wenn dann der Körper deswegen ein bisschen streikt. Ich versuche jetzt den normalen Rhythmus aufrecht zu erhalten. Ich absolviere so gegen zehn Uhr das Training, danach habe ich das Mittagessen. Darauf folgt meine eigene Auszeit mit dem Mittagsschläfchen. Ab und zu müssen dann die Einkäufe besorgt werden. Hier darf man sich nur mit einer Durchfahrbescheinigung in der Gemeinde bewegen, die ich zum Glück vom Verein erhalten habe. Ich darf nebenbei nur allein zum Einkaufen fahren. Danach folgt die Zeit mit den Kindern, bisschen Uno und Spaziergänge im Wald. Weiters habe ich ein Online Sportmanagement-Studium begonnen. In Kürze sollten in Kroatien die ersten Lockerungen folgen. Wir dürfen dann bald in Kleingruppen im Stadion trainieren. Wann die Meisterschaft wieder losgeht steht allerdings noch in den Sternen.

Der 2:0-Heimsieg gegen HNK Hajduk Split am 08. März war bisher dein letztes Spiel. Seitdem hält uns ja die Corona-Krise von unserem gewohnten Leben fern. Wie sehr vermisst du den Alltag als Fußballer?

Ja, ich vermisse es schon sehr. Das Problem ist es vor allem wenn du das Adrenalin am Wochenende nicht mehr zu spüren bekommst. Besonders auch dann die positive Anspannung vor dem Spiel und die 90 Minuten am Platz. Wir müssen uns leider auf den Tag X vorbereiten. Für mich persönlich ist das bisher die längste Fußballpause, da es in Kroatien sowie in Österreich üblich ist, nach maximal drei Wochen Ferien, wieder mit der Sommer-/Wintervorbereitung loszulegen. Mittlerweile sind wir schon in der fünften Woche, was sehr ungewöhnlich ist. Das Ventil, bei dem du die Emotionen und die Energie beim Spiel oder beim Training rauslässt, ist zu. Man versucht dies durch das Heimprogramm zu kompensieren und ebenfalls indem man sich etwas mehr selbst fordert. Je mehr dies gelingt, desto leichter wird der Einstieg sein.

Die meisten Landesverbände und die UEFA pochen auf eine schnellstmögliche Wiederaufnahme des Fußballs in Europa. Glaubst du, dass dieses Vorgehen der Funktionäre gerechtfertigt ist?

Es gibt hier zwei Standpunkte: Die heimische Politik versucht hier die Pandemie im Land so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen und dass dieser Spuk so schnell wie möglich vorbei ist. Gewisse öffentliche Veranstaltungen, bei denen es zu einer großen Menschenansammlung kommt, sind hier nicht förderlich. Die Wirtschaft leidet allerdings sehr unter dieser Situation. Speziell im Fußball sehe ich es so, dass es in den nächsten Wochen sehr viele Existenzfragen, bezüglich Mitarbeiter und Spielergehälter beantwortet werden müssen. Teilweise größere Vereine liegen in demselben Topf, die es nicht erlauben können auf längere Sicht den regulären Spielbetrieb einzustellen. Dadurch würde der unentbehrliche Cashflow für die Vereine ausbleiben. Die Länder und die Verbände müssen hier einen goldenen Mittelweg finden.

Kommen wir nun mehr zu deiner Person: Im Sommer 2016 wagtest du den Schritt zu HNK Rijeka ins Ausland. Was waren deine Beweggründe für den damaligen Wechsel?

Diese Entscheidung ist damals aus der Not geboren. Ich hatte zu der Zeit mit meinem Manager einen Fehlgriff gemacht, der mir Honig um das Maul geschmiert und mir Wunderdinge versprochen hat. Ich bin halt ein Typ, der normalerweise eine sehr gute Menschenkenntnis hat. In dem Fall habe ich den Fehler leider erst zu spät gemerkt, dass es mit seinen Versprechungen doch nichts wird.

Es war dann so, dass ich in der ersten Woche im August 2016 bereits paar Wochen vereinslos war und ein Anruf von Rijeka erhalten habe. Sie wollten wissen, ob ich bereits wo unterschrieben habe. Es war im Endeffekt eine Nacht und Nebel Aktion, denn am ersten Tag kam der Anruf ob ich Interesse hätte. Am nächsten Tag bin ich mit meinem Papa nach Kroatien runter gedüst, wo wir weitere Gespräche geführt haben. Am Tag darauf hatte ich dann einen sportmedizinischen Test, bevor ich am Abend den Vertrag unterschrieben habe. Weiters war es dann schon an der Zeit einen neuen Verein zu finden um an einem Mannschaftsbetrieb teilzunehmen. Dass es zu diesem Zeitpunkt HNK Rijeka war, war ziemlich glücklich. Ob ich das woanders auch gemacht hätte weiß ich nicht.

Das Ambiente hat mich am Ende doch überzeugt und ich habe gewusst, dass meine Familie hier glücklich sein wird. Anfangs dachte ich mir, dass ich nach einer oder eineinhalb Saisonen den nächsten Schritt mache und der Verein eine gute Ablöse für mich kassiert, von dem sie sich im Endeffekt finanzieren. Ich wollte dann auf jeden Fall die Chance nutzen, was ich meiner Meinung nach auch getan habe. Für den nächsten Karriereschritt hat es anscheinend nicht ausgereicht. Trotzdem möchte ich hier keinen einzigen Tag missen und bin dem Verein für alles dankbar.

In der Zwischenzeit hast du mehr als 100 Pflichtspiele absolviert und bist zum Kapitän und Identifikationsfigur des Vereins geworden. Kann man sagen, dass du dich zusammen mit deiner Familie in Rijeka pudelwohl fühlst?

Auf jeden Fall. Ich glaube, dass ich die kroatische Sprache relativ schnell gelernt habe. Nicht perfekt, aber es reicht zur Verständigung mit anderen Leuten. Die ortsansässigen Menschen wissen es sehr zu schätzen, wenn sich ein Ausländer adaptieren will. Trotzdem gehören hier gute Leistungen dazu, die ich auch mit gelegentlichen Formschwankungen erbracht habe. Die Wertschätzung von den Leuten wird uns überall entgegengebracht, sei es bei Einkäufen meiner Frau am Markt, bei den Kindern im Kindergarten oder wenn ich im Sommer am Strand auf einen Kaffee sitze. Es ist einfach sehr angenehm. Ich genieße hier in Kroatien als Fußballer einen „Superstar-Status“, den du in Österreich nicht in der Form hast.

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In den vergangenen drei Saisonen sammeltest du mit deinem Verein drei Trophäen. Neben dem zweimaligen Pokalgewinn 2017 und 2019, durftet ihr 2017 ebenfalls die kroatische Meisterschaft bejubeln. Wie fühlte sich diese Sensationsmeisterschaft an, nachdem Dinamo Zagreb, ähnlich wie Salzburg in Österreich, Jahr um Jahr diesen Titel gewann?

Es war für den Verein etwas Riesengroßes, denn es war diese erste Meisterschaft in der Geschichte des Klubs. Daneben haben wir den Serienmeister Dinamo Zagreb ablösen können, womit auch keiner gerechnet hat. Bevor ich in der achten Runde dazugestoßen bin, war man schon auf Platz eins oder vielleicht ein paar Punkte hinter Dinamo. Man hat die ganze Zeit ein gutes Gefühl für diese Saison gehabt. Es wurde ebenfalls viel herumgeflüstert, was wäre, wenn wir die Saison so weiterspielen, etc. Beim Auswärtsspiel gegen HNK Cibalia Vinkovci, durfte ich zum ersten Mal über längere Zeit ran. Ich bin reingekommen und habe in der letzten Minute beim Stand von 0:0 den Elfer verhaut. Kein optimaler Einstand. Danach haben wir zu Hause im Gipfeltreffen um die Spitze gegen Dinamo mit 5:2 gewonnen, bei dem ich zwei Tore geschossen habe. Es war eine Machtdemonstration. Wir haben dann in Ruhe weitergespielt und Woche für Woche Siege eingefahren. Man dachte sich schon, wenn nicht dieses Jahr wann dann.

Trotz alledem war es ein sehr intensives Jahr, bei dem wir ständig der Gejagte waren. Aufgrund Dinamos häufigen Siegen haben wir uns keinen Patzer erlauben dürfen. Außerdem war es in der Saison sehr augenscheinlich, dass die Schiedsrichter sich mehr in Richtung Zagreb verbunden gefühlt haben. Wir hatten sogar einen Kampf gegen die Schiedsrichter, bei dem auch versucht wurde, Sachen für Dinamo zu beeinflussen. Ob es Absicht oder keine Absicht war, sei dahingestellt und ich will hier auch niemandem etwas unterstellen. Manchmal hat es sich doch sehr seltsam angefühlt. Dank unserer souveränen Siege konnte man uns dann schlussendlich die Spiele nicht kaputt pfeifen. Am Ende der Saison war es dann die Befreiung schlechthin, als wir den Meisterpokal in Empfang nehmen durften. Genau wie bei der Austria im Jahr 2013 konnten wir dann nicht ausgelassen feiern, da kurz darauf das Cupfinale folgte, dass wir schließlich auch gegen Dinamo gewonnen haben. Jedoch war die Party nach der Meisterschaft viel ergiebiger als nach dem Cup, da die Spannung schon draußen war.

Wenn du den Titel von 2017 mit dem Meistertitel bei der Austria 2013 vergleichst, welcher sorgt dann bei dir für mehr Gänsehaut?

Es wäre jetzt unfair, wenn ich mich entscheiden müsste, welcher mir mehr bedeutet. Jeder Titel ist etwas besonders. Der Unterschied ist der, dass ich mit der Austria in meiner Heimatstadt mit meinem Jugendverein Meister geworden bin. Vom Feiern und vom Feeling in der Rijeka war sehr anders. 2017 war ich noch nicht der kroatischen Sprache mächtig und kannte die Fangesänge nicht. Bei der Austria konnte ich damals viel ausgelassener feiern und war deutlich besser mit den Fans und dem Verein vertraut.

Nachdem ihr den Ligaprimus aus Zagreb zum zweiten Mal in Folge aus dem Cup rausgehaut habt, kann jetzt nur noch der Cupgewinn die Devise sein?

Man munkelt schon deswegen, dass wir den Cup-Titel wiederholen werden. Natürlich erhöhen sich die Chancen, wenn man Dinamo rausgehaut hat. Vor der coronabedingten Pause hätten wir unseren Halbfinalgegner aus Osijek schon geschlagen. Jetzt hängt es von allerdings von der individuellen Absolvierung des Heimprogramm ab und was der Plan für den Cup ist. Ich geh davon aus, dass der Cup bei drei ausstehenden Spielen zu Ende geführt wird. Cupgewinn wäre aber auf alle Fälle das Ziel.

Zurzeit weilt ihr (HNK Rijeka 2. Platz, 47 Punkte) auf dem abgeschlagenen zweiten Platz und habt wenig Chancen in den letzten zehn Runden Dinamo (1. Platz, 65 Punkte) die erneute kroatische Meisterschaft streitig zu machen. Wird in den kommenden Jahren ein erneuter Meistertitel das Ziel sein?

Das ist eine schwierige Frage. Es hängt von vielen Faktoren und leider nicht nur von uns ab: Von den Spielerneuzugängen mit der nötigen Qualität, von den möglichen Abgängen, von den Transfererlösen, von unseren Formschwankungen und ob wir mit Dinamo Schritt halten können. Sie sind das kroatische Pendant zu Red Bull Salzburg in Österreich. Die besten Talente werden von Dinamo verpflichtet, ausgebildet und dann gewinnbringend weiterverkauft. Dadurch gelingt es ihnen für diese Liga qualitativ hochwertige Spieler zu verpflichten. Wenn Dinamo eine Schwächeperiode haben sollte, liegt es dann an uns diese auszunutzen.

Du hast bis Juni 2023 Vertrag bei HNK Rijeka. Ist ein Verbleib nach dem Juni 2023 im Bereich des Möglichen oder könntest du dir danach eine eventuelle Rückkehr zur Wiener Austria als aktiver Spieler vorstellen?

Ich habe mir vorgenommen Fußball zu spielen, solange es mein Körper zulässt und es mir auch Spaß macht. Ich bin hier auch gut unterwegs, denn ich passe auf meinen Körper sehr gut auf. Ich fühle mich mit meinen bald 32 Jahren sehr fit und kerngesund. Bis 2023 ist es noch so lang hin und es kann bis dahin viel passieren. Ich kann mir sowohl das eine als auch das andere vorstellen. Vielleicht geht meine Karriere hier nach drei Jahren weiter, wenn der Verein noch verlängern will und ich mich fit fühle. Sollte auf einmal die Austria die Idee haben, dass sie mit mir in meinem fortgeschrittenen Alter noch was anfangen können, wäre auch das vorstellbar. Bis dahin wird allerdings noch viel Zeit vergehen.

Hast du schon ungefähre Pläne was du nach deiner Karriere machst?

Mich würde eine Management- oder auch eine Trainerfunktion reizen. Mit diesen Sachen beschäftige ich mich langsam, wo ich die letzten Jahre meiner Karriere nutze, um mich fortzubilden/ausbilden zu lassen. Ich würde vor allem im Sport und im Fußball bleiben, da ich mich in diesem Bereich von klein auf sehr gut auskenne und mich nicht irgendwo in das Büro vor den PC hauen will oder etwas Neues lernen muss. Weiters muss ich dann auch sehen, bei welchen meiner Vereinen sich deswegen Türen öffnen.

Im September 2009 hast du unter Paul Gludovatz das einzige Mal das Dress der Nationalmannschaft für die U-20 überstreifen können. Spielt das ÖFB-Team noch eine Rolle in deinen Überlegungen zur Zukunft?

Ich glaube das ist eher unwahrscheinlich. Es stehen ganz andere Spieler im Fokus, vor allem auch junge Spieler, die in der letzten Zeit auf sich aufmerksam gemacht haben. Für mich ist dieser Zug schon längst abgefahren. Ich glaube jetzt sind andere Spieler deswegen gefordert.

Ok, dann danke ich dir vielmals für das Interview und wünsche dir und deiner Familie alles Gute für die Zukunft.

Super, danke dir und alles Gute.

 

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