Nationalteam

Michael Liendl – eine ernsthafte Option für das ÖFB-Nationalteam?

Düsseldorf ist für österreichische Kicker in den vergangenen Jahren ein durchaus ertragreicher Boden. Martin Harnik schaffte zum Beispiel den Sprung in die Bundesliga, Robert Almer ins ÖFB-Team. Auch die drei Legionäre, die derzeit bei der Fortuna unter Vertrag stehen, zeigen eine positive Entwicklung. Eine Analyse von Alexander Semeliker.

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Christian Gartner ist nach anfänglichen Schwierigkeiten der Umstieg von den Niederungen der österreichischen Bundesliga zu einem deutschen Zweitligisten mit Erstligaambitionen gut gelungen. Ähnliches gilt für Erwin Hoffer, dessen Klasse sich nach mittlerweile fast vier Jahren deutschen Profifußballs klar einordnen lässt. Einer sticht aus dem Trio aber besonders heraus: Michael Liendl.

Das Um und Auf beim Wolfsberger AC

Erst im Winter wechselte der 28-Jährige zur Fortuna, die 250.000 Euro auf das Konto des Wolfsberger AC überwies. Bei den Kärntnern war Liendl das Um und Auf. Er war bis zu seinem Abgang an exakt der Hälfte aller WAC-Tore direkt beteiligt, hatte anteilsmäßig mehr Ballkontakte und Schussbeteiligungen als jeder andere Spieler in der österreichischen Bundesliga.

Ein besonderes Merkmal und entscheidender Faktor dafür war ohne Zweifel seine herausragende Technik. Es waren jedoch weniger Dribblings, mit denen er dem Spiel seinen Stempel aufdrückte, sondern vielmehr seine präzisen Pässe. Mit Verlagerungen konnte er enge Situationen auflösen, mit Steilpässen das Tempo anziehen ohne, dass sein Team den Ball verlor. Hinzu kamen selbstverständlich die gefährlich getretenen Standardsituationen.

Doch auch aus taktischer Sicht hatte sich Liendl in Wolfsberg verglichen mit seiner Zeit bei der Wiener Austria weiterentwickelt. Vor allem im letzten Drittel glänzte er bei Angriffen mit seiner Positionierung. Anstatt kopflos nach vorne zu gehen hielt er sich in strategisch guten Räumen auf und hatte so das Spiel vor sich. Dadurch kam er oft nach Pässen in den Rückraum zu Abschlüssen.

Das fehlende spielerische Element in Düsseldorf

Dieselben Elemente findet man nun weitestgehend auch bei Fortuna Düsseldorf. Allerdings agiert er dort nicht mehr ausschließlich als Zehner, da Trainer Lorenz-Günther Köstner meist auf eine 4-4-2-Grundordnung mit Hoffer und Charlison Benschop als Sturmduo setzt. So gab Liendl neben seiner Paraderolle auch schon den Achter und besetzte beide Flügelpositionen. Insbesondere bei seiner starken Vorstellung in Sandhausen kam er auf mehreren Positionen zum Einsatz.

Ein großes Problem der Düsseldorfer in der Hinrunde war die überschaubare spielerische Qualität im Mittelfeld – vor allem im Zentrum. Mit Kapitän Andreas Lambertz, Oliver Fink oder Adam Bodzek hatte man zwar Spieler, die lauf- und zweikampfstark sind, aber weder mit Dribblings noch Pässen das Spiel lenken können. Levan Kenia, den man im Sommer dafür holte, konnte die Erwartungen nicht erfüllen und Christan Gartner kam wie erwähnt erst gegen Ende der Herbstsaison auf Touren.

Genau diese Mängel bekam man mit der Verpflichtung von Liendl in den Griff. Er strukturiert das Spiel und ist stets eine sichere Anspielstation, scheut sich auch nicht davor, Verantwortung zu übernehmen. Beachtlich ist vor allem, wie schnell man diese Effekte sehen konnte. Bereits im ersten Spiel gegen 1860 München war er der Dreh- und Angelpunkt im Offensivspiel und verbuchte gleich einen Assist.

Was seine Stärken zusätzlich zugutekommt ist die Ausrichtung der Fortuna, die wie beim WAC auf Konter und Umschaltspiel nach Ballgewinnen in relativ tiefen Zonen aufbaut. Liendl ist dabei meist der entscheidende Spieler, wenn es darum geht, den Ball schnell nach vorne zu bringen und seine Mitspieler in offene Räume zu schicken. Phasenweise gelingt ihm das sogar mit dem ersten Ballkontakt, wie er etwa am vergangenen Wochenende beim 1:0 gegen Erzgebirge Aue zeigte.

Passt Liendl in das ÖFB-Team?

Aufgrund der zuletzt gezeigten Leistungen, die eine Bestätigung für jene beim WAC sind, rückt Liendl damit zwangsläufig in den Fokus der Öffentlichkeit und es stellt sich die Frage, ob er nicht sogar ein Thema für das österreichische Nationalteam sein könnte. Vor allem seine Vielseitigkeit und sein verlässliches Passspiel dienen als haltbare Argumente. Ein Problem könnte jedoch sein, dass die Positionen, für die er in Frage käme, nicht zu den Problemstellen gehören.

Im zentralen offensiven Mittelfeld gibt es mit Zlatko Junuzovic einen Spieler, der noch eine Leistungsstufe über Liendl konstant gute Leistungen bringt und mittlerweile ein Schlüsselspieler für die Philosophie von Marcel Koller ist. Insbesondere im Pressing ist der Werder-Legionär eine Macht. Vor allem in diesem Punkt könnte eine Einberufung Liendls scheitern.

Im Defensivspiel ist er nämlich oft zu nachlässig und hat Mängel im Antizipationsspiel. Erst wenn es wirklich brenzlig wird, greift er aktiv in die Situation ein. Deshalb wäre er auch für die Doppelsechs ein Wackelkandidat. Die Grundlage für ein gutes Pressing ist nämlich, dass den attackierenden Mitspielern die nötige Rückendeckung gegeben wird – etwas, für das eine offensiv ausgelegte Antizipation, wie sie Liendl zeigt, nicht optimal ist.

Andererseits zeigte Koller mit der Einberufung von Lukas Hinterseer, dass er durchaus auch bereit ist, neue Alternativen zu testen. Dabei ist weniger gemeint, dass er neue Spieler als eins-zu-eins-Ersatz einberuft, sondern neue Spielertypen in den Kader integriert. Hinterseer agierte als physischer Zehner und Wandspieler im Zwischenlinienraum. Das könnte auch ein Grund sein, warum Robert Zulj, der in seiner Spielweise als Zehner sehr ähnlich zu Junuzovic ist, bislang auf eine Einberufung wartet.

So bleibt schließlich nur mehr die Möglichkeit, Liendl als Alternative für die Außenpositionen im Mittelfeld in Betracht zu ziehen, was durchaus Sinn machen würde. Im Spiel gegen Uruguay sah man beispielsweise, dass die ÖFB-Flügel verstärkt in den Spielaufbau integriert wurden. Nun gibt es auch dort die eine oder andere weitere Option neben Liendl, allerdings müsste er sich wohl hinsichtlich Technik, Passspiel und Kombinationsstärke vor keinem Konkurrenten verstecken.

 

Alexander Doubek

Alexander DOUBEK (Gründer/Chefredakteur) Bei 12terMann seit: 09/2011 M: alexander.doubek@12termann.at T: @AlexanderDoubek  

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