Video

Oliver Egger: „Manchen hätte das ein oder andere Jahr schwul sein nicht geschadet“

Oliver Egger ist der erste und bisher einzige offen geoutete Fußballer Österreichs. Im Interview mit 12terMann.at erzählt er über sein Outing, seine Arbeit bei der Ombudsstelle für Antidiskriminierung und warum das manche schwule Jahr einigen seiner Gegner nicht geschadet hätte.

Fotocredit: Andy Joe

[werbung_block1]

12terMann.at: Vertraut man generellen Statistiken müssten allein in Deutschland bei rund 1.000 Erst- und Zweitliga-Kickern elf Prozent also 90 Fußballer schwul sein. Offen zu Ihrer Homosexualität stehen jedoch nur Sie und Thomas Hitzelsberger – wie erklären Sie sich Diskrepanz in den Zahlen?

Oliver Egger: Eine Studie aus Deutschland hat belegt, dass knapp ein Drittel von queeren Menschen am Arbeitsplatz aktiv diskriminiert werden. Des spiegelt in etwa unsere Gesellschaft wider, da sie zeigt, dass noch immer Menschen Probleme haben, wenn der Gegenüber auf das andere Geschlecht steht. Im Fußball haben wir dann noch stärkere Rollenbilder, als ohnehin in der Gesellschaft – es herrscht dort eine strenge Heteronormativität und eine toxische Männlichkeit, die Homophobie zu einem noch stärkeren Problem als ohnehin machen. Generell muss im Fußball ganz viel passen, dass man sich outet. Es müssen nicht nur die Mitspieler und der Trainer zu dir halten, auch Fans, Gegenspieler, Schiedsrichter und Medien spielen da eine Rolle.

Was sind die Ängste, die man vor dem Outing hat?

Oliver Egger: Man hat Angst mit dem ganzen Sexismus und den angesprochenen Problemen konfrontiert zu werden. Wenn man schwul ist, kann man nicht männlich sein und Fußball ist ein Sport für echte Männer, heißt es oft – das ist natürlich vollkommener Schwachsinn. Es wird vermittelt, Weiblichkeit ist schlecht und da kommt wie diese Heteronormativität dazu. Alles, was außerhalb der Norm ist, bereitet vielen Ängste. Der größte Punkt ist, aber die Alltagshomophobie, wenn allein der Begriff „schwul“ mit etwas schlechtem assoziiert wird, Beispiel: „Der schwule Pass“ oder so. Natürlich fällt dann die Überwindung sich zu outen deutlich schwerer. Auch der Begriff „Schwuchtel“ oder dergleichen, ich weiß, dass das nicht immer so gemeint ist oder auf eine Person direkt bezogen. Aber dadurch schafft man ein Umfeld, in dem sich Leute nicht trauen zu sich selbst zu stehen.

Und noch ein Danke an den ÖFB – Österreichischer Fußball-Bund/ ÖFB – Social Football. https://www.facebook.com/socialfootball.at/photos/a.308881283013391/706845879883594/?type=3&theater

Gepostet von Fußball für alle am Montag, 29. Juni 2020

 

Wie fühlt man sich, wenn man im Training ständig etwas hört wie „schwuler Pass“ und dergleichen?

Oliver Egger: Also zum Glück fällt so etwas nicht mehr im Training und wenn es einen von meinen Mitspielern rausrutscht, kommt schnell der Blick zu mir und die Entschuldigung. Ein ehemaliger Mitspieler von mir ist unlängst zu einem neuen Verein gewechselt und hat mir erzählt, dass ihm das wieder auffällt wie sehr solche Begriffe fallen. In meinem Verein sind homophobe oder rassistische Aussagen komplett verschwunden. Vor meinem Outing war, das natürlich sehr schwierig für mich und mir ist es bei solchen Aussagen auch sehr schlecht gegangen, weil einmal mehr „schwul“ als etwas Schlechtes erachtet wird.

Wie war der Weg zu Ihrem Outing, wann haben Sie für sich beschlossen, dass Sie an die Öffentlichkeit gehen?

Oliver Egger: Ich habe sehr lange gebraucht, um selbst zu erkennen, dass ich schwul bin. Ich hätte es eigentlich mit 16 schon wissen müssen, spätestens mit 18. Ich hab oft geglaubt, ich gehöre einfach nicht dazu und so etwas wie ein Kind und eine Familie gehören einfach dazu. Irgendwann war es mir dann aber zu bunt, mich ständig zu verstecken oder selbst zu belügen. Ich hab mich dann zuerst bei meinen besten Freunden geoutet, die gemeint haben sie stehen zu mir, egal was kommt. Dann habe ich mich bei meinem Bruder geoutet – auch kein Problem. Dann kam der schwierige Schritt mich vor meinen Eltern zu outen, feig wie ich bin (lacht) habe ich ihnen einen Brief geschrieben und nachdem sie den gelesen haben, hat mich mein Vater auch kontaktiert und gesagt, dass sie mich immer lieben werden, egal was kommt.

Und im Fußballverein?

Oliver Egger: Im Fußballverein wollte ich mich nicht einfach hinstellen und sagen „Jungs, ich hab euch etwas mitzuteilen“, stattdessen habe ich einfach bei einer Geburtstagsparty, wo viele meiner Mitspieler auch waren meinen damaligen Freund vor allen geküsst und dann war´s jedem klar. Und auch von ihnen sind nur positive Rückmeldungen retour gekommen und es läuft einfach wie gewohnt, es hat sich hier nichts verändert.  

Hat´s dann auch negative Erfahrungen gegeben?

Oliver Egger: Ja, also von Gegenspielern schon. Ich kann mich noch erinnern, dass ein Gegenspieler mich bereits vor dem Spiel im Tunnel angeschaut hat und zu seinem Mitspieler gesagt hat „schau da ist er, vermutlich hat er die ganze Mannschaft so angesteckt“ oder ein anderer hat mal bei seiner Auswechslung seinen Mitspieler gesagt „pass auf der greift dir am Arsch“ und da habe ich mir gedacht „wie arm kann man sein, dich würd ich in hundert Jahren nicht angreifen“. Einmal hat eine Mannschaft bei uns auswärts gewonnen und wir gegangen sind: „Da kommt die schwule Partie skandiert“ – vielleicht hätte den das ein oder andere schwule Jahr nicht geschadet. Das sind dumme Sprüche, die einem das Leben dann schon echt schwer machen können.

Haben Sie vor deinem Outing die Geschichten von Thomas Hitzelsberger und Justin Fashanu gekannt bzw. genau gelesen?

Oliver Egger: Natürlich kennt man diese Geschichten und beschäftigt sich damit. Speziell der Fall Hitzelsberger ist ja dann sehr in den Medien präsent gewesen. Natürlich schaut man dabei, was man für sich selbst rausnehmen und mitnehmen kann, Hitzelsberger ist dann natürlich auch so etwas wie ein Vorbild. Bei mir war es als Amateur-Kicker trotzdem noch anders. Wenn es nicht akzeptiert worden wäre, hätte ich nicht mehr Kicken können – was zwar ein Stück soziale Isolation bedeutet hätte und schlimm gewesen wäre – aber es wäre nicht mein Beruf weggewesen.

Sie nennen Hitzelsberger Vorbild, für den österreichischen Raum könnte man Sie jedoch auch als eines sehen?

Oliver Egger: Es war eigentlich immer mein Ziel die Vorbildwirkung zu erlangen. Ich wollte zwar nie so in die Öffentlichkeit geraten, aber das hat sich dann schnell verselbstständigt. Es sollte jedoch immer um die Sache und nicht um mich selbst gehen. Ich brauche keine Interviewtermine oder Öffentlichkeitsarbeit um meiner Willen, es geht darum Leuten, die ähnliche Geschichten durchmachen zu helfen.

Das bringt uns zu Ihrer Arbeit, wie kann man sich einen typischen Arbeitstag vorstellen – wie läuft das ab?

Oliver Egger: Man kann sich das in etwa wie eine Hotline vorstellen. Jeder der Fragen oder Anliegen hat, kann anrufen, egal ob Fans, Spieler, Trainer oder vielleicht Eltern von Fußballern. Es richtet sich an Profis wie an Amateure, die mir über Mail, Telefon oder social-media schreiben können. Das können Fragen über Coming-Outs sein oder auch Meldungen über homophobe Vorkommnisse in Vereinen oder andere Art von Diskriminierung. Vom ÖFB haben wir als Ombudsstelle, dann auch die Legitimation vor Vereinen vorstellig zu werden, wenn es Probleme gibt. Ich agiere als Safe-Space und Ansprechperson für alle, auch als Person, die manchmal nur zuhört.

Gibt´s einen internationalen Austausch?

Oliver Egger: Die Arbeit beinhaltet auch die Teilnahme an internationalen Kongressen, erst im Februar war ich in Dortmund, wo es darum ging den Einsatz von Vereinen und Spielern im Kampf gegen Homophobie zu evaluieren. Ich war damals auf der Spielerseite und ich hab da gemeinsam mit Verantwortlichen von Leicester City diesen Part übernhemen dürfen. Darüber hinaus habe ich mittlerweile meinen Fuß bei der UEFA drinnen, wo ich erst letzte Woche einen Vortag zu Inklusion im Fußball halten durfte. Mit dem ÖFB planen wir eine Zusammenarbeit mit dem walisischen und dem schottischen Verband.

Das klingt sehr intensiv, die Tätigkeit ist aber nebenberuflich, oder?

Oliver Egger: Ja genau, ich habe gerade meine Diplom-Arbeit für mein Lehramtsstudium fertig. Die Ombudsstelle läuft neben dem selbst Kicker als weiteres Standbein.

Wie viele Meldungen über Diskriminierung in Vereinen bekommen Sie so ca.?

Oliver Egger: Da haben wir glücklicherweise noch keine bekommen, dass es schlimm abläuft. Ich habe aber bereits zehn Anfragen bekommen, die darüber berichten, dass sie eine ähnliche Geschichte bekleidet wie ich sie erlebt habe und gerade überlegen, wie sie sich am besten im Verein outen.

Eine wunderbare Aktion der RosaLila PantherInnen, die auch vom SK Sturm Graz unterstützt wurde. Ein wichtiges Zeichen für Akzeptanz und Toleranz!

Gepostet von Fußball für alle am Mittwoch, 1. Juli 2020

Viele titulieren Fußball mit Männlichkeit – jetzt können natürlich genauso gut homosexuelle Männer männlich sein, aber ist der Fußball tatsächlich so männlich, immerhin ist Neymar ein großer Schauspieler?

Oliver Egger: Schwierige Frage (Lacht). Die Diskussion ist mühsam, es wirkt dann natürlich absurd, wenn alles so männlich sein soll und sich manche Kicker nach einem leichten Foul ewig herumwälzen und lametieren. Prinzipiell sehe ich die Kategorisierung schon lächerlich, ob männlich weiblich – das ist doch egal. Und wenn ein Spieler oder Trainer sagt „man soll Eier zeigen“, dann überdrehe ich sowieso schon die Augen.

Was glauben Sie – wie kommt es zu derartigen Stereotypen?

Oliver Egger: Ich glaube, dass ist dem geschuldet, dass der Fußball ein Zweikampfsport ist und Männlichkeit hierbei als Grundvoraussetzung gesehen wird.

Mit welchen drei Wörtern würden Sie den Fußball beschreiben?

Oliver Egger: Kommerz, Leidenschaft, Teamwork – es müssen alle an einem Strang ziehen. Das ist das Schöne am Fußball man gibt gemeinsam alles und kämpft für ein gemeinsame Sache.

Würden Sie Profi-Kickern empfehlen sich zu outen?

Oliver Egger: Klar, irgendwer muss mal der erste sein – dann entsteht auch in den Vereinen und Verbänden ein Umdenken. Unser Ziel als Ombudsstelle ist, dass wir irgendwann nicht mehr gebraucht werden. Wir wollen uns also mit unserer Arbeit selbst abschaffen. Wir hoffen einfach, dass es irgendwann egal ist, ob man schwul, lesbisch oder hetero ist und der Fußball für alle da ist, die ihn lieben.

Kontakt der Ombudsstelle:

Homepage: www.fussballfueralle.at

Email: oli.egger@aon.at

[werbung_block2]

 

 

Tobias Kurakin

  Tobias Kurakin (Redaktionsleitung) Bei 12ter Mann seit 3/2018