Frauenfußball

„Wir wollen wieder das Maß der Dinge im Frauenfußball werden“ – Interview mit den Präsidenten des SV Neulengbach

Der SV Neulengbach war jahrelang das Aushängeschild des heimischen Frauenfußballs. 12 Meistertitel und 10 Cupsiege zieren die Visitenkarte des Vereines. International stehen 12 Teilnahmen an der Champions League zu Buche, 2013/14 konnte sogar das Viertelfinale erreicht werden. Doch in den letzten Jahren ging es steil bergab, was zuletzt in der Auflösung der 2. Frauenmannschaft resultierte. Martin Mantlik und Lukas Kainz, die sich in der Unternehmensberatung einen Namen gemacht haben, wollen als neue Hauptsponsoren und Präsidenten dafür sorgen, das es vom SV Neulengbach in Zukunft wieder positive Schlagzeilen gibt. Wir haben die Beiden zum Interview gebeten.

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Hallo Lukas, hallo Martin. Es freut mich sehr, dass ihr euch für ein Interview mit 12teFrau Zeit nehmt.

Ihr seid im Juli beim SV Neulengbach als Hauptsponsoren eingestiegen. Was hat euch zu diesem Schritt bewogen?

Wir haben ja vor fast fünf Jahren unsere Firma gegründet und waren schon länger auf der Suche nach einer Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Sportbegeistert waren wir auch schon seit den Kindertagen, da haben wir nicht lange gezögert, als sich diese Möglichkeit ergeben hat.

Warum habt ihr euch gerade für den SV Neulengbach entschieden? Gab es schon vor dem Deal einen Bezug zu diesem Verein? Wie lange dauerte es vom ersten Kontakt bis zum Abschluss?

Aufgrund der Erfolge in der Vergangenheit war uns der Verein natürlich ein Begriff. Auch, dass die letzten Jahre aufgrund von verschiedenen Faktoren nicht sehr einfach waren – mit dem negativen Höhepunkt, für diese Saison die zweite Frauenmannschaft auflösen zu müssen.

Gerade deshalb waren wir der Meinung, dass hier jemand etwas machen muss um die Spielerinnen und Spieler sowie die Funktionäre bestmöglich zu unterstützen, damit wir bald wieder an die damaligen Erfolge anknüpfen können.

Martin ist vor acht Jahren nach Neulengbach übersiedelt, daher hatten wir zum Verein bzw. den Mitgliedern schon einen Bezug. Vom ersten Gespräch bis zum Abschluss dauerte es nur wenige Tage – wir haben sofort gemerkt, dass der Verein und wir die selbe Vision verfolgen wollen, was den Schritt für uns sehr leicht gemacht hat.

Wir haben sofort gemerkt dass der Verein und wir die selbe Vision verfolgen

Nach dem sensationellen Abschneiden des Nationalteams bei der Europameisterschaft ist ein wahrer Hype um den Frauenfußball ausgebrochen. Habt ihr auch nur annähernd damit gerechnet, welche Begeisterungswelle vom Frauen-Nationalteam losgetreten werden kann?

Nein, das ist natürlich ein Wahnsinn. Derart als Underdog gestartet und sensationell so weit gekommen – das muss man erst einmal nachmachen. Die Mädels haben gezeigt, dass mit Disziplin, Ehrgeiz und einer starken Mannschaftsleistung eigentlich alles möglich ist. Es zeigt aber umso mehr, dass der Frauenfußball bereit für die breite Masse ist – es gilt jetzt nur, den Schwung in die Liga mitzunehmen.

Welche Schritte müssen eurer Meinung nach gesetzt werden, damit sich die momentane Euphorie nachhaltig positiv auf den Frauenfußball auswirkt?

Wir haben nach der kurzen Zeit natürlich noch nicht so viel Einblick in die österreichische Liga. Wichtig wäre aber auf jeden Fall, dass der ÖFB hier die Initiative ergreift und zumindest die Vereine in den oberen Ligen finanziell ein wenig unterstützt. Aktuell ist es ohne großem Sponsor im Hintergrund ziemlich schwierig, ein Budget für die Saison aufzustellen. Schon allleine die langen Anfahrtswege zu den Auswärtsspielen stellen manche Vereine vor große Probleme. Damit einher geht natürlich ein Ligasponsor sowie die Berichterstattung und Live-Spiele im TV oder Stream.

Woran krankt es im heimischen Frauenfußball? Habt ihr euch in euren ersten Wochen beim SV Neulengbach schon ein Bild über die Situation machen können?

Hauptproblem ist sicher das geringe Interesse der Zuschauer. Wenn man bedenkt, dass bei uns im Spitzenspiel der Bundesliga Neulengbach – St. Pölten nur um die 500 Zuschauer live dabei sind, ist das schon extrem wenig. Damit ist natürlich auch das Interesse der Medien, vielleicht sogar Live-Spiele zu übertragen, verhältnismäßig gering, was wiederum die Sponsorensuche schwierig macht. Und ohne Sponsoren gibt es nun mal kein Geld.

500 Zuschauer beim Spitzenspiel der Bundesliga sind schon extrem wenig

mantlik kainz ist in der Unternehmensberatung tätig, welche Erfahrungen aus eurem Geschäftsleben könnt ihr als Präsidenten in einen Fußballverein einbringen?

Es ist grundsätzlich schon ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Unternehmen mit über 20 Mitarbeitern und einem gemeinnützig geführten Verein. Trotzdem können wir vieles einbringen, hilfreich ist für uns vor allem die Erfahrung, die wir im Unternehmensaufbau gesammelt haben. Gerade auf der organisatorischen Ebene bzw. auch mit unserem Netzwerk an Partnerfirmen können wir den ohnehin schon professionell geführten Verein sehr gut unterstützen.

Habt ihr schon konkrete Pläne für Maßnahmen, die ihr unbedingt beim SV Neulengbach umsetzen wollt?

Die ersten Schritte haben wir gemeinsam mit den Funktionären bereits in Bewegung gesetzt. Am wichtigsten ist uns, neben der Jugendarbeit und dem baldigen Wiederaufstieg bei den Männern, der Wiederaufbau der zweiten Damenmannschaft. Hierfür werden bereits die ersten Gespräche geführt, damit wir sobald wie möglich wieder mit einer U23 die Lücke zwischen Nachwuchs und Kampfmannschaft schließen können und junge, motivierte Spielerinnen in die Bundesliga heranführen können.

Jahrelang war der SV Neulengbach das Maß der Dinge im österreichischen Frauenfußball, in den letzten Jahren wurde konnte man nicht mehr im Spitzenfeld mitspielen. Was sind eure Ziele? Wollt ihr wieder Titel holen?

Natürlich, das liegt in unserer Natur. Auch für unsere Firma haben wir immer den Anspruch, die bestmögliche Leistung abzuliefern – das wird natürlich auf den Verein umgemünzt. Wir wollen mittelfristig auf jeden Fall wieder das Maß aller Dinge im österreichischen Frauenfußball sein und damit einhergehend auch international für Furore sorgen.

Wir wollen wieder das Maß aller Dinge im Frauenfußball sein

In Deutschland findet man in der Liga immer mehr Vereine, die auch im Herrenfußball große Namen haben, wie z.B. Bayern München, Wolfsburg, Freiburg, Hoffenheim oder Bremen. In Österreich gibt es diese Entwicklung noch nicht. Würdet ihr euch wünschen das auch Rapid oder Salzburg eine Frauenmannschaft installieren oder würde es das für Vereine wie den euren noch schwerer machen?

Auf jeden Fall, generell ist es nur von Vorteil, wenn die Qualität der Liga weiter steigt. Wir sehen das auch bei Testspielen unserer Ladies mit internationalen Teams bzw. auch bei der Frauen-EM – international ist es aktuell schon noch etwas schneller und vor allem härter als in der Bundesliga. Da ist es nur gut, wenn man auch national stärker gefordert wird. Natürlich macht es das Ganze nicht unbedingt leichter, immerhin hätten diese Vereine doch weitaus mehr Mittel zur Verfügung als wir „Kleinen“. Aber in Summe würde die ganze Liga bzw. auch das Nationalteam natürlich davon profitieren und dass wäre doch für Österreich das Wichtigste.

Im Nationalteam besteht die Startelf meist aus Legionärinnen. Ist die heimische Liga momentan einfach zu schwach damit die Spielerinnen international mithalten können?

Wir denken, es ist aktuell sowohl finanziell als auch spielerisch attraktiver, im Ausland zu spielen. Also grundsätzlich nicht viel anders als beim Herrenfußball. Trotzdem erhoffen wir uns mit der Euphorie durch die EM ein größeres Interesse in Österreich, eben auch durch die Top-Clubs bei den Männern, damit die ganze österreichische Liga attraktiver wird.

Wie habt ihr die Frauen-Europameisterschaft verfolgt? Was ist eure Meinung zum Turnier? Es gab doch zahlreiche Überraschungen die im Vorfeld nicht zu erwarten waren.

Wir haben einige Spiele mit unseren Spielerinnen in der Kantine in Neulengbach verfolgt und gemeinsam mitgefiebert. Es war natürlich auch aus österreichischer Sicht ein überragendes Turnier, man kann vor dieser Leistung nur den Hut ziehen. Interessant waren sicher die Paarungen im Halbfinale, vor allem Österreich und Dänemark hatten wohl die wenigsten auf der Rechnung.

Insgesamt hat sich bei den Damen aber analog zu den Männern ein Bild abgezeichnet, dass der „Zauberfußball“ wie er von einigen Nationen betrieben wird, nicht mehr unbedingt das Mittel zum Erfolg ist. So haben auch die Österreicherinnen gezeigt, dass ein starkes Kollektiv und eine kontrollierte, gut eingestellte Defensive ein probates Mittel ist, den vielleicht spielerisch vermeintlich stärkeren Gegnern die Zähne zu ziehen.

Im Herbst startet die WM-Qualifikation, was traut ihr unseren Mädels zu? In der Gruppe warten mit Spanien, Finnland, Serbien und Israel sehr starke, aber auch keine übermächtigen Gegner.

Die Gruppe ist natürlich nicht einfach, vor allem Spanien und Finnland werden sicher harte Brocken. Trotzdem hat die Leistung bei dieser EM gezeigt, dass sie sich vor keinem Gegner verstecken müssen und durch eine starke Leistung im Kollektiv auch mit vermeintlich übermächtigen Gegnern wie Spanien mithalten können. Die direkte Qualifikation wird wahrscheinlich nur mit etwas Spielglück möglich sein, wir denken aber dass der zweite Platz durchaus realistisch ist und auch der Anspruch des Nationalteams sein muss.

Die Frauenabteilung ist natürlich das Aushängeschild des Vereins, aber nicht das einzige Team, das im Meisterschaftsbetrieb spielt. Welche Ziele wollt ihr mit den Herren- und Jugendteams des SV Neulengbach erreichen?

Wir haben von Anfang an gesagt, wenn wir den Verein unterstützen, dann komplett. Die Jugend ist natürlich gerade für einen regionalen Verein mit einem derart großen Einzugsgebiet wie Neulengbach besonders wichtig, sie bildet die Basis sowohl bei den Herren als auch bei den Damen.

Bei den Herren wollen wir auf alle Fälle wieder aufsteigen, aber auch das wollen wir durch organisches Wachstum aus den Nachwuchsmannschaften erreichen und auf den Einkauf teurer Spieler soweit wie möglich verzichten.

Danke für das Interview, 12teFrau wünscht euch viel Erfolg für die Zukunft.

Das Interview führte Matthias Riemer (Redaktionsleitung Frauenfußball)

 

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Matthias Riemer

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Matthias Riemer
(Redaktionsleitung/Frauenfußball)

Bei 12terMann seit: 12/2013

M: matthias.riemer@12termann.at

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