Italien

Interview mit Robert Gucher

Der Kapitän führt Frosinone in die Serie A

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Einen Tag vor seiner Abreise in den wohlverdienten Urlaub durften wir Robert Gucher im schwiegerväterlichen Restaurant in Graz zum Interview bitten. Der sympathische 24-jährige Legionär von Frosinone Calcio plauderte mit uns über seine Erfahrungen in Italien, das Gefühl den Aufstieg in die Serie A geschafft zu haben und über das österreichische Nationalteam. 

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12terMann: Robert, du hast als Kapitän mit Frosinone Calcio in der letzten Saison den direkten Durchmarsch von der Serie C in die Serie A vollbracht. Für den kleinen Klub ist dies ein immenser Erfolg. Hast du das Ganze denn schon verarbeiten können?

Robert Gucher: Mittlerweile kann ich das Ganze ein bisschen besser realisieren, am Anfang fiel das wirklich noch schwer. Man verspürt da eine wahnsinnigen Euphorie, feiert einfach und weiß eigentlich nicht, was man wirklich erreicht hat. Jetzt mit den vielen Interviews in letzter Zeit wird einem die Situation langsam klarer und man beginnt den Erfolg zu genießen. Wenn dann die endültige Auslosung für die neue Saison stattgefunden hat und man endlich weiß wann man gegen wen spielt, dann werde ich wirklich richtig fassen können.

 

In der nächsten Saison heißen die Gegner Juventus Turin, Inter Mailand etc. Abgesehen von diesen Namen, auf was freust du dich am meisten in der Serie A?

Es reizt mich einfach alles an der Serie A – zum Beispiel, dass du dich mit Teams wie Juventus Turin oder AC Mailand messen kannst. Oder auch die Möglichkeit im Olimpiastadion auflaufen zu können, ein Stadion, das ich bislang nur als Zuschauer für Serie-A- und Champions League-Spiele besucht habe. Zusätzlich auch noch die Möglichkeit sich mit den absoluten Topstars duellieren zu können. Aber nicht, dass man jetzt glaubt, dass ich davor Angst habe; nein, es ist einfach eine irrsinnige Vorfreude da und ich sehe es als Belohnung für all die Investitionen in den letzten drei Jahren.

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Frosinone gilt als sehr familiär geführter Verein ohne große Skandale. Liegt genau darin der Grund, dass sich der Club so schnell nach oben orientieren konnte?

Es ist in Italien für einen Verein sicher nicht üblich, dass man so eine Konstanz im Team hat, wie wir es hier in Frosinone haben. Seit drei Jahren werkt der gleiche Trainer mit beinahe dem gleichen Team, der Sportdirektor hat bei Neuverpflichtungen immer darauf geachtet, dass intelligente Spieler verpflichtet werden und man nicht nur große Namen kauft. Bei uns kommt jeder Kicker mit den Mitspieler aus, das Team besteht großteils aus jungen und hungrigen Fußballern, die auch bereit sind sich gegenseitig zu helfen. Zusätzliche Puzzlestücke sind die Stadt und die Fans, die einfach dankbar sind, dass der Verein Frosinone und somit auch die Stadt mit der Serie A in Verbindung gebracht werden. Und das Tolle ist, hätten wir den Aufstieg nicht geschafft, dann wäre uns auch niemand böse gewesen.

 

Sieht man sich die Abschlusstabellen der letzten drei Serie A-Saisonen an, so fällt auf, dass jeweils immer ein Aufsteiger nach einer Saison direkt wieder abgestiegen ist. Was stimmt dich zuversichtlich, dass dieser Verein in dieser Saison nicht Frosinone Calcio sein wird?

Dass mit Carpi mit uns ein weiterer kleiner Verein aufgestiegen ist und es sie erwischen wird (lacht). Nein, ernsthaft. Ich glaube, dass der Verein gut arbeiten wird und wir durch den direkten Aufstieg in die Serie A schon bewiesen haben, dass wir guten Fußball spielen können. Wir galten in der Vorsaison eigentlich als Absteigskandidat in der Serie B, haben also bereits beweisen, dass wir gegen die Gesetze arbeiten können. Zusätzlich herrscht eine wahnsinnige Euphorie im Team, der Stamm des Teams dürfte auch zusammenbleiben und mit sechs oder sieben neuen Spieler ergänzt werden, die sicher gut ins Gefüge passen werden. Das Ziel ist klarerweise der Klassenerhalt; ich sage, wenn wir Absteigen, dann haben wir ein Wunder geschafft, dass wir überhaupt aufgestiegen sind, sollten wir oben bleiben, dann haben wir gleich ein zweites Wunder vollbracht. Wir müssen das Jahr einfach genießen und können im Endeffekt befreit aufspielen.

 

Mit Frosinone und Carpi steigen nach der letzten Spielzeit zwei Teams aus kleinen Städten in die Serie A auf, in Österreich würde man diese Vereine vielerorts als Dorfklubs bezeichnen und ihnen jegliche Existenzerlaubnis in der ersten Liga abstreiten. Was kannst du solchen Aussagen entgegenstellen?

Es geht einfach darum, dass der Verein, der den Aufstieg sportlich erreicht hat, den Aufstieg einfach verdient hat. In unserem Fall ist es so, dass wir jetzt mehrere Jahre gezielt auf dieses Ereignis hingearbeitet haben. In der Vorsaison haben wir einfach von Spiel zu Spiel geschaut und durch den Erfolg die Fans mitgezogen. In unser Stadion passen 10.000 Zuschauer, aber dass in der letzten Runde gut 20.000 Fans das Spiel vor dem Stadion auf einer Leinwand verfolgt haben, davon wird nicht berichtet. Auch Carpi hat es geschafft die Fans zu mobilisieren, in ihr Stadion passen sogar nur knappe 5000 Zuschauer. Durch Erfolge kann man wie man sieht auch als kleine Stadt die Stadien füllen. Im direkten Vergleich zu Österreich liegt das möglicherweise aber auch an der Mentalität der Italiener. Als Spieler wirst du nach Siegen regelrecht angehimmelt und auf Händen durch die Stadt getragen, die Fans in Italien – gerade im Süden gibt es ja bekanntlich wirtschaftliche Probleme – vergessen dadurch ihre Sorgen. Quer durch alle Altersgruppe kommen Menschen ins Stadion, die noch nie ein Stadion von Innen gesehen haben, um dort einfach das Positive mitnehmen zu können.

Man sieht, auch ein Dorfklub zieht Fans und Zuschauer an und hilft vielen, ihre täglichen Sorgen zu vergessen.

 

Als Spieler wirst du nach Siegen regelrecht angehimmelt und auf Händen durch die Stadt getragen. 

 

Stichwort Dorfklubs – in Österreich wird hierbei auch oft die mangelhafte Stadioninfrastruktur kritisiert. In Italien ist diese ja auch nicht gerade auf dem neuesten Stand. Seit der WM 1990 hat sich hierbei wenig geändert. Kannst du uns bezüglich der Infrastruktur vielleicht etwas Einblick geben?

Meiner Meinung nach ist die Infrastruktur in Italien im Vergleich zu Österreich viel schlechter. Je weiter du in Italien in den Süden kommst, umso desolater sind die Stadien. Man hat nach der WM 1990 diese Thematik links liegen lassen und teilweise wird auch jetzt noch kein Wert auf beispielweise vernünftige Trainingsmöglichkeiten gelegt. Nur ein kleines Beispiel: Der FC Genua in der Serie A hat lediglich einen Trainingsplatz, zusätzlich noch einen kleinen Kunstrasenplatz, der nicht größer als eine mittlere Turnhalle ist. Die Kraftkammer des FC Genua ist in einem Partyzelt untergebracht, im Winter wird das einfach beheizt. Wenn man beispielweise von Red Bull Salzburg nach Italien wechseln würde, dann würde man zwei Stunden später wieder nach Hause fliegen.

Als ich nach Italien kam habe ich mir zuerst einmal gedacht, was denn hier überhaupt los ist, aber das ist das italienische und das macht es so besonders wenn du mehrere Jahre dort lebst; der Einheimische legt auf die Infrastruktur keinen Wert. Für uns als Spieler ist beispielweise das Stadion von Catania nicht schön anzusehen, doch das wichtigste aus unserer Sicht ist, dass der Zustand des Rasens einwandfrei ist.

 

Werden seitens der Clubs mittlerweile Adaptierungen angedacht?

Ja, klar! Beim Beispiel vom FC Genua ging es ja nur ums Trainingszentrum, das Stadion ist in Ordnung. Juve hat beispielsweise mit dem neuen Stadion alles richtig gemacht und auch die Roma bekommt jetzt endlich ihr neues Stadion. Diese Schritte waren für den italienischen Fußball von enormer Wichtigkeit. Eines darf man allerdings nicht vergessen, alles ist auch eine Frage des nötigen Geldes und dann wäre da noch etwas: wenn du im Stadion in Italien etwas änderst, dann musst du die Ultras unter Kontrolle bekommen, denn sonst musst du wieder die bekannten Käfige bauen. In den meisten Stadien sind die Zäune so hoch, dass hier niemand einfach drüberklettern kann, bei den Auswärtsfans wird ab und an sogar ein Netz über den Sektor gespannt, damit ja nichts aufs Spielfeld geworfen werden kann. Solange die Problematik mit den Ultras nicht in Griff gebracht werden kann, wird sich hinsichtlich neuer Stadien in Italien wenig tun.

Christian Semmelrock

 

Christian SEMMELROCK
(Redaktion / Charity)

Bei 12terMann seit: 11/2013

M: christian.semmelrock@12terMann.at

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