Deutschland

Vom Abstellgleis zum scorenden Joker – Interview mit Florian Kainz

Nach einem schwierigen Herbst hat sich [spielerprofil spieler=“Florian Kainz“] mittlerweile seinen Platz im Kader des SV Werder Bremen gesichert. Der sympathische Grazer plaudert mit uns über seine ersten Monate beim SVW, blickt kurz auf die aktuelle Situation bei Rapid und dem ÖFB und erinnert sich an seinen Abschied aus Graz.

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Sie bekommen nun im Frühjahr nach Anlaufschwierigkeiten in Bremen regelmäßig Einsatzzeiten bei Werder. Gegen Leipzig haben Sie Minuten nach Ihrer Einwechslung Ihr erstes Bundesligator erzielt, zuletzt gegen Freiburg einen Assist geliefert. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, dass es für Sie bei Bremen seit dem Jahr 2017 deutlich besser läuft?

Wie Sie richtig gesagt haben, läuft es für mich im Frühjahr bislang deutlich besser als im Herbst. Ich wurde in den letzten sechs Spielen immer eingewechselt, biete mich im Training an und der Trainer schenkt mir das Vertrauen. Ich selbst versuche in jedem Spiel alles zu geben, auch wenn ich nur für fünf Minuten eingewechselt werde. Zudem hatte ich eine gute Wintervorbereitung und auch der Kader wurde verkleinert. Sicher alles Schritte, die mir entgegen gekommen ist.

Anfangs hat es in Bremen etwas gedauert bis ich mich eingewöhnt habe, es war schon eine Umstellung. Mittlerweile fühle ich mich aber äußerst wohl und will eigentlich nicht mehr zu oft an den Herbst denken, sondern will den positiven Schwung, den wir jetzt auch als Mannschaft haben, für mich in die nächsten Spiele mitnehmen.

Sie haben erwähnt, dass der Wechsel zu Bremen eine Umstellung war. In welchen Punkten hatten Sie denn noch Nachholbedarf?

So wirklich Nachholbedarf hatte ich eigentlich gar nicht, natürlich ist die Intensität höher als in Österreich. Die Vorbereitung auf die Saison war für mich wahnsinnig lange, ich bin bei Rapid ja bereits eingestiegen und habe dann noch die gesamte Vorbereitung bei Werder mitgemacht – insgesamt waren wir mit Bremen knapp drei Wochen auf Trainingslager. Das soll aber überhaupt keine Ausrede sein – es gab gegen Ende der Vorbereitung eine Phase, wo ich mit mir selbst nicht zufrieden war, da war ich sicher auch körperlich noch nicht auf dem Level, auf dem ich jetzt bin.

Sie haben in der Vorsaison eine überragende Spielzeit für den SK Rapid Wien hingelegt, waren an 26 Toren direkt beteiligt und haben dem SV Werder Bremen angeblich 3,5 Millionen € gekostet. Haben Sie sich vielleicht zu Beginn Ihres Engagements in Bremen, ob der Vorjahresleistung bzw. hohen Ablöse etwas zu viel Druck gemacht?

Nein, überhaupt nicht. Ich wusste, dass ich in der Vorsaison meine bislang beste Saison gespielt habe, daraus machte ich mir allerdings keinen Druck, sondern habe versucht, das positive Momentum und das Selbstvertrauen mitzunehmen. Wie hoch die Ablösesumme war, darauf hatte ich keine Einfluss, das mussten die Vereine unter sich ausmachen, insofern hat mich auch das nicht belastet. Mir war aber von Beginn an klar, dass der Konkurrenzkampf deutlich größer sein wird und es für mich somit Anfangs schwierig sein könnte.

Kommen wir nochmals zu Ihrem ersten Tor für die Bremer zurück. Wie haben Sie diese Sekunden erlebt? Haben Sie sich gesagt, so und jetzt bin ich endgültig angekommen und habe bewiesen, dass ich hier bestehen kann?

Nicht wirklich. Kurz nach dem Tor habe ich mich gefreut, dass die harte Arbeit belohnt wird und dass ich nicht aufgeben habe. Im Moment selbst habe ich mich einfach gefreut, dass wir gewonnen haben, vor so einer Kulisse zu Hause und dann auch noch 3:0 gegen Leipzig.

Mittlerweile läuft es für Ihren Verein deutlich besser – in den letzten sechs Spielen konnte man 16 Punkte einfahren. Wie ist diese Leistungssteigerung zu erklären? Vielleicht durch die gewonnene Variabilität in taktischer Hinsicht? Stichwort 4-4-2 und 3-5-2.

Ja, das ist jedoch nur ein Grund, warum es besser läuft. Wir haben in der Winterpause den Fokus auf die Einstudierung verschiedener Systeme gelegt, haben uns das 3-5-2- System angeeignet, haben aber auch das 4-4-2-System weiter optimiert. Ein zusätzlicher Grund für die Leistungssteigerung ist die hinzugewonnene Stabilität in der Verteidigung, die im Vergleich zum Herbst deutlich besser funktioniert. Auch in der Offensive läuft es sichtlich besser, die Anzahl der Tore in den letzten Runde spricht eine deutliche Sprache. Zudem wurde die Qualität des Kaders im Winter durch gezielte Verstärkungen erhöht.

Jetzt gilt es für uns, den Schwung mitzunehmen – wir haben in den letzten Runden so viele Punkte geholt, wie in der gesamten Hinrunde. Wir wissen auch wie die Tabelle derzeit aussieht, dürfen uns nicht ausruhen, sondern müssen weiter Gas geben.

Wie Sie selbst eben gesagt haben, hatte Bremen bis vor kurzem auch in dieser Saison einige Schwierigkeiten, muss weiterhin um den Klassenerhalt fighten. Die Fans stehen allerdings, obwohl sie über lange Zeit anderes gewohnt waren, hinter der Mannschaft. Dies ist nicht bei vielen Vereinen der Fall. Wie erlebt man solch eine Unterstützung als Spieler?

Die Unterstützung der Fans ist schon die gesamte Saison über beeindruckend. Das Stadion ist immer ausverkauft, auch begleiten uns viele Fans zu den Auswärtsspielen. Erst zuletzt gegen Freiburg waren knapp 3000 Fans vor Ort. Das ist wirklich einzigartig und es macht Spaß, vor solchen Fans zu spielen.

Auch das Verhältnis zwischen dem hauseigenen Medienteam und den Spielern scheint prächtig zu sein. Ihr Name ist mittlerweile ein „running gag“ – haben Sie ein Problem damit, oder kainz?

(lacht) Meinen Sie das Pizarro-Video, oder? Das ist für die Medien natürlich ein gefundenes Fressen, das Wortspiel ist ja ganz nett, die ganze Zeit muss ich es aber auch nicht haben.

Sie haben auch bereits ein anderes Fangehabe erleben müssen. Als Sie von Graz nach Wien wechselten, wurden Sie seitens der Grazer Fans übel angefeindet. Ich stelle mir vor, dass die Situation gerade als junger Spieler, als Eigenbauspieler, alles andere als einfach war.

Ich habe versucht, den Fokus auf den Fußball zu legen, aber selbstverständlich bekommt man das alles mit – gerade weil die Familie und viele Freunde in Graz leben. Natürlich ist es im Nachhinein gesehen schade, wie das damals abgelaufen ist, aber das kann jetzt nicht mehr geändert werden.

Kommen wir kurz auf ein weiteres Ex-Team von Ihnen zu sprechen – der SK Rapid Wien steckt in einer echten Krise. Wie nehmen Sie die Situation als mittlerweile Außenstehender wahr bzw. hatten Sie solche eine Entwicklung vorhergesehen?

Klarerweise hat sich niemand gedacht, dass es so schlecht läuft. Die Erwartungshaltung war ob des neuen Stadions sehr hoch, zudem hat man die Liga drei Jahre in Folge als Zweiter abgeschlossen und eine ausgezeichnete Europe League-Saison gespielt.

Der Start in die aktuelle Spielzeit verlief ja eigentlich auch nicht schlecht, irgendwann ist dann jedoch der Faden gerissen. Natürlich hoffe ich, dass das Team langsam wieder Siege einfährt, denn je länger man auf ein Erfolgserlebnis warten muss, umso schwieriger wird es für die Spieler.

Jetzt steht mal der Cup am Programm und ich drücke die Daumen, dass Rapid sich vielleicht noch über diesen Weg für das internationale Geschäft qualifizieren kann.

Im November 2015 durften Sie Ihr Debüt im Nationalteam feiern. Was haben Sie aus diesem Lehrgang mitnehmen können?

Das war selbstverständlich eine super Erfahrung für mich, ich durfte ja auch zehn Minuten Nationalteamluft schnuppern. Nach dem Lehrgang habe ich bei Rapid weiter alles gegeben, damit ich weiterhin ein Thema für das Team bleibe, leider hat das nicht funktioniert. Natürlich hoffe ich aber, dass ich wieder mal ins Nationalteam einberufen werde.

Stichwort Einberufung: Nachdem Marko Arnautovic gegen Irland aufgrund einer Gelbsperre fehlen wird, ist genau jene Position vakant, auf der Sie zu Hause sind. Spekulieren Sie insgeheim ein bisschen mit einer möglichen Einberufung?

Darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Ich muss schauen, dass ich bei Werder auf Einsätze komme und dort Leistung bringe, dann wird der Teamchef eine Entscheidung treffen. Wichtig ist jetzt Werder, wenn es dort gut läuft, dann werden wir sehen, ob ich mal wieder dabei bin.

Wie hoch sehen Sie die Chancen, dass das Team doch noch die Qualifikation für Russland 2018 schafft?

Die Chancen sind auf jeden Fall noch intakt. Die Qualität des Kaders ist nach wie vor hoch, die letzte Qualifikation war hervorragend. Der Sieg gegen Moldawien war jetzt wichtig, um die nicht so positiv ausgefallenen EM und den eher mäßigen Start in die WM-Qualifikation aus dem Kopf zu bekommen.

Florian Kainz, vielen Dank für das nette Interview.

Bitte, gerne.

 

(Das Interview wurde am 03. April 2017 von Christian Semmelrock geführt)

 

Für Florian Kainz könnt ihr auch in unserer „Tipico-Legionär-der-Runde-Umfrage“ abstimmen.

 

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Christian Semmelrock

 

Christian SEMMELROCK
(Redaktion / Charity)

Bei 12terMann seit: 11/2013

M: christian.semmelrock@12terMann.at

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