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Fußball barrierefrei

E-Rolli-Fußball in Österreich 

Für ein Fußballspiel braucht es nicht viel, einen Ball, einige Sportler oder Sportlerinnen und zwei Tore. Ähnliches gilt auch für E-Rolli-Fußball, auch wenn die SportlerInnen im Rollstuhl sitzen.

 

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Michael Kiefler stürmt seit 2013 im A-Kader von Österreich

Die Hans-Radl-Schule in Wien ist jeden Montag Schauplatz für das Training des österreichischen Fußballnationalteam, aber nicht Marcel Koller und Co kicken in der Halle mitten in Hernals. Das E-Rolli-Nationalteam nutzt die Sonderschule für ihre wöchentlichen Übungseinheiten. E-Rolli-Fußball gibt es erst seit zwei Jahren in Österreich, trotzdem entwickelt sich die Sportart hierzulande rasant. Das Nationalteam will im kommenden Herbst eine erste Meisterschaft in Österreich organisieren, noch  gibt es Hürden.

Rückblick, Jahr 2012. Matias Costa und Doris Fritz sind dafür verantwortlich, dass in Österreich E-Rolli-Fußball gespielt wird, die beiden lernen den Sport bei einem Turnier in Frankreich kennen. “Schwerstbehinderte können wenige Sportarten betreiben, es gibt noch Boccia, das ist eine sehr statische Sportart, für manche ist Boccia sehr gut geeignet, für andere ist es halt Fußball. Welches Kind will nicht Fußballspielen.“ erzählt Matias Costa im Gespräch mit 12terMann.at. Nur ein Jahr später gründen die beiden in Wien das erste E-Rolli-Team. Mittlerweile besteht der Kader aus 20 SportlerInnen, eines haben alle gemeinsam, sie sitzen im elektronisch angetriebenen Rollstuhl und leiden an Muskeldystrophie, die schwere Muskelerkrankung führt zu Muskelschwäche und Muskelschwund. Die Betroffenen sind ganzkörperlich beeinträchtigt und können oft nur noch den Steuerhebel eines elektronischen Rollstuhls lenken.

Hallenprobleme in Wien

Im Vergleich zum herkömmlichen Fußball wird E-Rolli-Fußball mit drei Feldspielern und einem Torhüter gespielt. Die Spiele finden normalerweise in Hallen auf einem Spielfeld der Größe eines Basketballfeldes statt, der Ball hat einen Durchmesser von 33 Zentimetern und ist damit deutlich größer als ein herkömmlicher Fußball. Die Rollstühle sind mit Gittern adaptiert, um den Ball kontrolliert spielen zu können. Die Form des „Käfigs“ um die Räder dürfen sich die AthletInnen selbst auswählen. In Wien trainiert das E-Rolli-Fußball-Team Österreich in der Hans-Radl Schule, die Turnhalle der integrativen Schule ist aber mittlerweile zu klein für das Team.

Leonard Vasile trainiert das gemischte Team seit den Anfängen von E-Rolli-Fußball in Österreich, der ehrenamtliche Trainer zeigt während der Übungseinheit wenig Rücksicht auf die Behinderung der Athleten: „Einige Spieler konnten am Anfang mit meinen Anweisungen nicht umgehen, sie wussten nicht wie ein Training abläuft.“ Einige SportlerInnen, so Vasile, kannten den Ablauf eines Trainings nicht und sind nicht mehr zum Training gekommen. „Die Spieler die  geblieben sind, ziehen voll mit und setzen unsere Vorgaben perfekt um.“ Auch an diesem Montag wird es während dem Training öfters lauter, die Sportler kennen das mittlerweile, der sportliche Erfolg gibt dem Trainerteam Recht. Bei einem internationalen Turnier in Österreich schlägt das Team von Vasile das deutsche und finnische E-Rolli-Team.

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Leonard Vasile selbst fällt es aber manchmal schwer hart durchzugreifen, für die sportliche Entwicklung sei das aber notwendig: „Man darf nicht alles mit nachhause nehmen, es gibt hier einfach Leute die Probleme haben. Professionelles Arbeiten ist wichtig, man muss sie genau gleich wie FußballspielerInnen ohne Beeinträchtigung behandeln.“ Ein großes Problem der FußballerInnen aus Wien sind die Trainingsbedienungen. Die Hans-Radl Schule in Wien ist mittlerweile zu klein für das Team, Spielsituationen können nur mit einem Spieler weniger pro Team simuliert werden, ein Duell vier gegen vier ist nicht möglich. „Die Halle ist viel zu klein. In Wien ist es generell schwer Hallen zu finden.“, sagt Matias Costa, sportlicher Leiter von E-Rolli-Fußball-Österreich, „Wir suchen aktuell nach einer neuen Halle in Wien, wir verhandeln gerade mit einem privaten Verein“ Auf Unterstützung vom österreichischen Behindertensportverein kann das Team von Costa zählen, der ÖFB hingegen beschäftigt sich noch nicht mit E-Rolli-Fußball: „In England sind die Profivereine und die FA dafür verantwortlich, dass der Sport so groß geworden ist, Unterstützung vom ÖFB wäre wirklich wünschenswert, wir sind aber auch noch ein junger Sport in Österreich, wir brauchen noch Zeit,“ ist sich Costa bewusst.

Initiative ergriffen

Um den E-Rolli-Fußball für mehr Menschen zugänglich zu machen, haben sich die Verantwortlichen gemeinsam mit den SportlerInnen etwas überlegt, gemeinsam touren sie durch Österreich und präsentieren E-Rolli-Fußball in den Bundesländern. Bei den Showtrainings können die neuen Spieler bei einem Probetraining die ersten Erfahrungen mit dem Ball sammeln. Für Menschen mit fortgeschrittener Muskeldystrophie gibt es kaum Sportarten die sie ausüben können, zu weit ist die Lähmung ausgeprägt. E-Rolli-Fußball gilt als eine der wenigen Mannschaftssportarten die für die erkrankten Menschen möglich ist. Der Spaß kommt beim Training nicht zu kurz, mit bis zu 10 Km/h kämpfen die SpielerInnen um jeden Ball. Bei einem Zusammenstoß kann es schon mal krachen. Die AthletenInnen sind mit Gurten gesichert, um zu verhindern, dass die Rollstühle nicht umkippen, sind sie mit kleinen Stützrädern gesichert.

Jasna Puskaric ist Stürmerin im Nationalteam, auch sie fährt zu den Workshops in die Bundesländer mit: „Es gibt leider noch zu wenige SpielerInnen in Österreich, wir hoffen natürlich, dass durch die Showtrainings mehr SpielerInnen die Freude am Sport finden.“ Die Probleme sind vor allem die Trainingsmöglichkeiten, barrierefreie Hallen sind in Österreich Mangelware und meistens gut belegt. Außerdem braucht es für neue Teams auch einen Trainer oder eine Trainerin. „Es ist natürlich schwierig ehrenamtliche Leute zu finden, die kleine Aufwandsentschädigung ist nicht wirklich nennenswert.“, bestätigt Costa, „Vor allem müssen das auch Leute sein, die Freude an dem Job haben.“ Die bisherigen Promo-Veranstaltungen sind bei den neuen AthlehtenInnen gut angekommen, Costa ist zuversichtlich, dass es im Herbst die ersten österreichische Meisterschaft im E-Rolli-Fußball geben wird: „Die Entwicklung der Sportler ist hervorragend, ich hoffe, dass wir im Herbst die erste österreichische Meisterschaft austragen können.“ Das große Ziel bleibt eine Teilnahme an einer Weltmeisterschaft, „Ich kenne das Niveau bei der Weltmeisterschaft ganz gut, wir können dort um die Top vier mitspielen.“ 

Das Nationalteam beim Training in Wien
Das Nationalteam beim Training in Wien
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Martin Hanebeck

Geboren in Salzburg und aufgewachsen mit der dortigen Austria, nach Wien gezogen und eine Liebe zur hiesigen Austria entwickelt. In Deutschland Werder Bremen und Fortuna Düsseldorf. Fan von Problemkindern, Fußball ohne Arnautovic, Balotelli, Best, Pepe, Barton, Naumoski oder Ibrahimovic wäre für ihn ungenießbar. Studiert irgendwas mit Umweltschutz und ab Oktober 2014 irgendwas mit Journalismus.

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